Stiftung LEBENSNERV,
FORUM PSYCHOSOMATIK 1/00

Teil 4: "Symposium zur Psychosomatik der Multiplen Sklerose - Erfahrungen, Konzepte, Perspektiven" von Sigrid Arnade

Lebendige Diskussionen, mehr Fragen als Antworten: Vier Arbeitsgruppen

MS-Patienten in psychosomatischen Kliniken

Wegen der großen Teilnehmerzahl wurden zwei Arbeitsgruppen zu diesem Thema angeboten, von Dr. Dieter Olbrich, Roland-Klinik, Bad Meinberg und von Dr. Siegfried Tonscheidt, Baar Klinik, Donaueschingen.

Arbeitsgruppe von Dr. Dieter Olbrich:

„Wir haben mehr Fragen gestellt als Antworten gefunden,“ berichtete Olbrich zusammenfassend aus seiner Arbeitsgruppe. Man habe sich gefragt, warum so wenige MS-Patienten in psychosomatische Kliniken kommen: Offizielle Zahlen dazu existierten aber nicht. Außerdem habe sich seine Arbeitsgruppe, so Olbrich, mit den Einstellungen der überweisenden Kollegen und mit den Einstellungen der MS-Betroffenen beschäftigt und sich gefragt, warum welche Art von stationärem Aufenthalt bevorzugt wird. Auch stelle sich die Frage, ob Psychotherapie überhaupt stationär stattfinden soll oder muss. Und schließlich die unbeantwortete Frage, welche Kontraindikationen bei einzelnen Betroffenen gegen einen Aufenthalt in einer psychosomatischen Klinik sprechen könnten.

Arbeitsgruppe von Dr. Siegfried Tonscheidt:

„Die Zeit war zu kurz“, war Tonscheidts Meinung. Man habe angeregt diskutiert, allerdings viele Fragen lediglich andiskutieren können. Auch seine Arbeitsgruppe habe sich mit dem „bedenkenswerten Phänomen“ beschäftigt, dass so wenige MS-Betroffene in psychosomatische Kliniken kommen. Die TeilnehmerInnen hätten einen erheblichen Bedarf an psychosomatischen Angeboten (neben den bestehenden Rehabilitationsangeboten) für MS-Betroffene gesehen. Diskutiert wurde laut Tonscheidt auch die Frage, worauf die psychotherapeutische Behandlung zielen solle: Geht es darum, den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen, oder geht es darum, den Umgang mit der Krankheit zu erleichtern? Letztere könne reichen von einem Erlernen des Umgangs bis hin zu einer Sinnfindung in der Krankheit.

Zugang zu autoaggressiven Mechanismen bei MS-Kranken

Diese Gruppe wurde von Dr. Irene Misselwitz und Dr. Gerlinde Schock, Klinik für Psychiatrie und Neurologie in Gera, geleitet. Die Arbeitsgruppe fand besonders großes Interesse bei den TeilnehmerInnen. „Wir haben an Fallbeispielen gearbeitet und stimmen darin überein, dass Autoaggressionen nicht MS-spezifisch sind“, berichtete Gerlinde Schock anschließend. Autoaggressionen spielten aber oft eine Rolle und müssten in der therapeutischen Beziehung zugelassen werden. Diskutiert worden sei auch die Schuldfrage, die häufig im Zusammenhang mit einer psychosomatischen Betrachtungsweise gestellt würde. Sich selbst die Schuld für die Krankheit zu geben, könne ebenfalls als ein autoaggressiver Mechanismus verstanden werden. Auch die Frage nach dem „typischen MS-Patienten“ sei gestellt worden und unbeantwortet geblieben. Schock vertrat die Auffassung, dass Multiple Sklerose durch Psychotherapie nicht zu heilen, wohl aber der Krankheitsverlauf günstig zu beeinflussen sei.

Körpertherapeutische Ansätze bei MS

Diese Gruppe kam spontan zustande, weil Dr. Günter H. Seidler verhindert war und die Gruppe „Trennungserlebnisse im Zusammenhang mit MS“ nicht anbieten konnte. Stattdessen entschlossen sich kurzfristig Inge Krens und Dr. Louis Debets, beide eigentlich als Teilnehmer aus den Niederlanden angereist, eine Gruppe zu diesem Thema zu leiten. „Wir hatten eine lebendige Diskussion und intensiven Austausch. Es war sehr kontaktreich,“ beschrieb Louis Debets hinterher seine Eindrücke. Er selbst habe als Arzt und MS-Betroffener seinen eigenen Krankheits- und Heilungsprozess dargestellt. Dann habe man sich über Einflussmöglichkeiten von Körpertherapie ausgetauscht. Die Mischung der Gruppe aus MS-Betroffenen und professionell Tätigen habe den Austausch befruchtet.

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