Stiftung LEBENSNERV,
FORUM PSYCHOSOMATIK 1/01

Visualisierungsverfahren in der Behandlung bei MS-Patienten

Eine Vergleichssstudie zum Visualisierungstraining und zum Autogenen Training bei Patienten mit Enzephalomyelitis disseminata an der Josef-Wolf-Fachklinik,  jetzige "Klinik am Regenbogen",  für neurologische Rehabilitation in Nittenau.

von Birgit Hertting

Übersicht

Einleitung
Das Verfahren der Visualisierung
Das Verfahren nach Jungnitsch
Visualisierung bei MS-Patienten
Die Arbeit in den Trainingsgruppen
Zusammenfassung

 


Einleitung

Die Wirkung der Vorstellungskraft auf den Körper wird bereits in vielen Bereichen eingesetzt zur Leistungssteigerung, aber auch als Therapiemethode. Zur Leistungssteigerung sowie zur Leistungserhaltung bei Verletzung setzen Sportler ihre Vorstellung in Form von mentalem Training ein. Hierbei wird sich die auszuführende Bewegung im ruhigen Zustand bildlich vorgestellt. Untersuchungen ergaben, dass mentales Training einen höheren Lerneffekt als reine Beobachtung besitzt, gemessen an der anschließenden tatsächlichen Leistung (Ulich, 1973). Sportler konnten durch mentales Training den Leistungsstand nach einer Verletzungspause halten und frühere Fehler mental korrigieren (Gissen, 1970, Zamarenov, 1972, zit. nach Günther, 1980). Dass eine Bewegungsvorstellung nicht auf die mentale Ebene beschränkt bleibt, sondern dass umfangreiche physiologische Begleiterscheinungen ausgelöst werden, wird mit dem sogenannten "Carpenter-Effekt" beschreiben. Nach diesem löst die Vorstellung einer Bewegung die "Tendenz zu ihrer Realisation" aus (Christmann, 1996, S.17). Die mentale Vorstellung, die sportliche Aktivität auszuführen, erhöht nicht nur Pulsschlag und Atemfrequenz, sondern erzeugt auch eine minimale Muskelkontraktion im Körper (Christmann, 1996). Untersuchungen im therapeutischen Bereich sind u.a. von Günther (1980) durchgeführt worden. EEG-Untersuchungen bei Patienten mit neurologischen Erkrankungen zeigen nach Günther (1980) bei Bewegungsvorstellungen Veränderungen von Funktionszuständen in entsprechenden Arealen des Gehirns. Die Aktivierung des Areals durch mentale Vorstellung führt zu einer besseren Durchblutung und Sauerstoffversorgung und somit zu einer besseren regenerativen Tätigkeit (Günther, 1980, zit. nach Christmann, 1996). Dass psychische Prozesse bewusst regulierend auf die Prozesse des Körpers einwirken können, zeigen auch die Ergebnisse, die mit dem Biofeedback-Verfahren erzielt werden. Im Falle einer psychischen Belastung, vor allem bei psychosomatischen Erkankungen kommt es oft zu Dysregulationen. Über einen Bildschirm lernt die Person u.a. ihren Blutdruck zu regulieren (Zeier, 1990).

Das Verfahren der Visualisierung

In den letzten Jahren etablierten sich zusätzliche neuere Verfahren, wie auch das Visualisierungsverfahren. Die Technik der Visualisierung gilt als eine spezielle Form der geistig-schöpferischen Vorstellung. Unter Visualisierung wird die bildliche Vorstellung einer Krankheitsbekämpfung und eines Heilungsprozesses in Bezug auf die Erkrankung verstanden. Berichte von Patienten zeugen immer wieder von der Wirkung, die sie durch Visualisierung erreicht haben (Lazarus, 1980). So soll ein Magengeschwür zurückgegangen sein, nachdem die betroffene Person zwei Monate lang jeden Tag morgens und abends 10 Minuten eine Reise durch ihren Körper visualisierte und anschließend sich vorstellte, das Magengeschwür mit einer heilenden Salbe zu lindern. Andere berichten davon, wie sie ihren Bluthochdruck durch die Vorstellung beruhigender Szenarien, wie einer schönen Landschaft, reduzierten. Ein Proband des russischen Psychologen Luria (unbekannte Quelle) konnte mittels Vorstellungskraft seinen Puls von 70 Schlägen pro Minute auf 100 Schläge in der Minute und wieder zurück auf 70 Schläge pro Minute verändern. Die Person stellte sich dabei vor, wie sie hinter einem abgefahrenen Zug hinterhereilte und dann, wie sie in einem Bett lag und kurz vor dem Einschlafen war (Luria, zit. nach Lazarus, 1980). Lurias Beschreibungen sind die ersten bekannten wissenschaftlichen Arbeiten zu der Methode der Visualisierung. Simonton, Matthews-Simonton und Creighton (1982) führten als eine der ersten eine groß angelegte Untersuchung zur Nutzung der Visualisierung als therapeutisches Mittel bei Autoimmunerkrankungen durch. Sie entwickelten aufgrund von Erfahrungen mit dem Biofeedbackverfahren und motivations-psychologischen Erkenntnissen ein Trainingsverfahren für Krebspatienten, bei dem zum einen die Lebensqualität der Patienten gefördert werden sollte und zum anderen mittels der Methode der Visualisierung den Patienten ein Mittel an die Hand gegeben werden sollte, mit dem die Betroffenen selber, über die Vorstellung der Krankheitsbekämpfung und Heilung, Einfluss auf den Krankheitsprozess nehmen sollten. Mit in das Vorstellungsbild einbezogen war auch die Wirkung der Strahlenbehandlung und der Chemotherapie und des möglichen Umgangs des Körpers damit.

In dem Zeitraum von 1974 bis 1978 untersuchten Simonton, Matthews-Simonton und Creighton (1982) 159 Patienten mit Krebs im Endstadium. Bei allen Betroffenen betrug die prognostische Lebenserwartung ein Jahr. Überlebt haben 63 Patienten. Davon hatten 14 keine Krankheitszeichen, 12 zeigten Rückbildungen, 17 zeigten eine Stagnation, bei 20 Patienten zeigte sich erneutes Wachstum. Die nicht Überlebenden hatten immerhin eine eineinhalbmal so lange Überlebensdauer wie prognostiziert. Wichtigste Ziele des Trainingsprogramms waren die Stärkung der körpereigenen Abwehr, die Anregung des Immunsystems und eine Steigerung der Lebensqualität. Das Training fand mit Abständen über mehrere Monate hinweg statt. Die Visualisierungsübungen sollten täglich dreimal durchgeführt werden. Teilnehmer der Untersuchung von Simonton, Matthews-Simonton und Creighton (1982) gaben an, die Zeit seit Diagnosestellung wesentlich bewusster gelebt zu haben. eine weitere Untersuchung zu Trainingsprogrammen mit der Visualisierungstechnik bei Krebspatienten wurde von Newton (1985) durchgeführt. Die Patienten erreichten eine Überlebenszeit, die die Prognose noch weiter überschritt, als die von Simonton et al. (1982) beschriebene. Beide Trainingsprogramme verhalfen den Patienten zu einer deutlich längeren Überlebenszeit, als der US-Bundesdurchschnitt für Krebspatienten im Endstadium angibt.

Das Verfahren nach Jungnitsch

Beruhend auf den Ergebnissen von Simonton et al. (1982) entwickelte Jungnitsch (1992) ein Trainingsprogramm für Patienten mit chronischer Polyarthritis (cP), das auf der Methode der Visualisierung basiert. Im Gegensatz zu der Behandlung nach Simonton et al. (1982) ist das Verfahren als Trainingsprogramm auf zwei Wochen konzipiert und nicht auf einen längeren Zeitraum. Dies ermöglicht neben individueller und ambulanter Trainingsform die Durchführung als Gruppentraining bei stationärem Aufenthalt. Bei den kontrollierten Untersuchungen zur Wirksamkeit des Trainingsprogramms bei chonischer Polyarthritis zeigte sich die Technik der Visualisierung anderen Verfahren, wie der Entspannung nach Jacobson, überlegen, einem sogenannten multimodalem Training aber als gleichwertig (Schmitz, 1989). In einer Studie von Kopp (1997) zeigte sich das Visualisierungsverfahren der Entspannung nach Jacobson und unspezifischen imaginativen Verfahren gegenüber überlegen (Kopp, 1997). Weitere Studien zum Trainingsprogramm zur Visualisierung bestätigen die positiven Ergebnisse von Visualisierungsverfahren bei cP-Patienten (Viehhauser, 1994; Kopp, 1997) im stationären Bereich, ebenso als ambulantes Verfahren (Lerch, 1998) und als individualisiertes Verfahren (Pollok, 1995). Bei den Untersuchungen zur Visualisierung zeigten sich Verbesserungen in den allgemeinpsychologischen Parametern, in der Krankheitsverarbeitung und bei den medizinischen Werten.

Die positiven Ergebnisse des Trainings sowohl in Bezug auf das psychische Befinden der Betroffenen, als auch auf die krankheitsspezifischen Parameter bei Patienten mit chronischer Polyarthritis erlauben eine Erweiterung des Forschungsfeldes auf andere chronische Erkrankungen, mit der Grundlage eines autoimmunen Prozesses. Es leitet sich daraus die Frage ab, ob das Visualisierungsverfahren nach Jungnitsch (1992) neben der Behandlung der cP auch ein geeignetes Mittel bei der stationären Behandlung des MS ist.

Visualisierung bei MS-PatientInnen

Erste Ergebnisse zum Einsatz der Visualisierungstechnik bei MS-Patienten bietet eine Einzelfallstudie, bei der die Technik der Visualisierung mit in katathymes Bildererleben eingebunden war (Misselwitz, 1993), ebenso liegen Fallberichte von MS-Patienten vor, die von sich aus eine entsprechende Technik bei sich erfolgreich angewandt haben. Für den Einsatz des Trainingsverfahrens nach Jungnitsch (1992) bei MS spricht die Ähnlichkeit der Erkrankungen. Die Multiple Sklerose ist ebenso wie die chronische Polyarthritis eine chronisch entzündliche Erkrankung. Trotz des völlig unterschiedlichen Krankheitsbildes, bei der cP handelt es sich um einen entzündlichen Prozess, der besonders die Gelenke betrifft und zu starken Schmerzen führt, während bei der MS die Markscheiden im zentralen Nervensystem angegriffen werden, handelt es sich in beiden Fällen um autoimmune Prozesse. Auch in Bezug auf die sehr unterschiedlichen Verläufe, auf die bisher noch ungeklärte Ursache der Erkrankung und die ungleiche Verteilung des Auftretens einer Erkrankung bei den beiden Geschlechtern sind die beiden Erkrankungen in Grenzen vergleichbar.

In der vorliegenden Pilotstudie wird das Visualisierungsverfahren nach Jungnitsch (1992) mit dem Verfahren zum Autogenen Training bei MS vergleichen. Das Autogene Training strebt vor allem eine allgemeine Harmonisierung von Körper und Psyche an. Dies wirkt sich positiv regenerierend aus. Den harmonisierenden Effekt stellt das Visualisierungsverfahren mit einer einleitenden Entspannung her; zentrales Element bei der hier konzipierten Visualisierung für Multiple Sklerose-Betroffene ist die bildliche Vorstellung des Heilungsprozesses an der Markscheide. Die Visualisierung strebt somit neben einer Verbesserung der allgemeinen Befindlichkeit und einer besseren Krankheitsverarbeitung auch einen Effekt in den medizinischen Parametern an.

Konkret lassen sich zwei Fragestellungen hierzu formulieren:

  1. Führt das Trainingsverfahren Visualisierung zu einer Verbesserung der krankheitsbezogenen Parameter bei den Betroffenen und
  2. hat das Trainingsprogramm eine Verbesserung der Lebensqualität zur Folge, und zwar
    a) in Form einer Verbesserung der Krankheitsverarbeitung und
    b) in Form einer Verbesserung der allgemeinen psychischen Befindlichkeit?

Die Arbeit in den Trainingsgruppen

Die Trainingsgruppen zur Visualisierung fanden im Zeitraum von Ende April 1998 bis Mitte August 1998 statt. Das zweiwöchige Trainingsprogramm umfasste sechs Stunden mit je drei Stunden à 60 Minuten in einer Woche. Hinzu kommen eine Einführungsstunde vorab und eine Abschlusssitzung in der nachfolgenden Woche.

Inhaltlicher Ablauf der einzelnen Trainingssitzungen:

Einführungsstunde: In der Einführungsstunde wird den dazu eingeladenen Patienten das Trainingsprogramm vorgestellt. Es findet eine kurze Einführung in die Thematik statt. Zusammenhänge zwischen psychischen Prozessen und körperlichen Reaktionen werden dargestellt, ebenso der autoimmune Krankheitsprozess bei der Multiplen Sklerose und Regenerationsmöglichkeiten des Körpers. Im Anschluss an die Sitzung wird der Fragebogen für die Prä-Erhebung verteilt.
Anmerkung: Zu der Einführungsstunde werden alle neu angekommenen MS-Patienten eingeladen, die nicht aufgrund einer starken körperlichen oder psychischen Einschränkung daran gehindert sind, an dem Trainingsprogramm teilzunehmen.

Die sechs Trainingsstunden sind jeweils in vier Einheiten untergliedert:
Einheit A, zu Beginn der Stunde, umfasst Erfahrungsaustausche der Gruppenmitglieder seit der letzten Stunde, allgemeine Anliegen und Probleme,
Einheit B, zweiter Teil der Stunde, umfasst Modelle und Veranschaulichungen,
Einheit C, dritter Teil der Stunde, umfasst praktische Übungen zu Entspannung/Imagination/Visualisierung,
Einheit D, vierter Teil der Stunde, umfasst die Ausgabe von Begleitmaterialien und "Hausaufgaben".

Die erste Stunde umfasste das gegenseitige Kennenlernen der Betroffenen, eine Besprechung der Themen der Einführung, speziell des Krankheitsgeschehens, der Zusammenhänge von Körper und Psyche anhand der Psychoneuroimmunologie und der Zielsetzung des Trainingsverfahrens, den Körper mit der Vorstellung der Krankheitsbekämpfung und Heilung positiv zu beeinflussen. Im Anschluss wurde zur eigenen Einschätzung der Vorstellungsfähigkeit als Übung die Creative Imagination Skale durchgeführt. Zur Beurteilung der Werte im Rahmen der Evaluation gaben die Teilnehmer auf einer fünfstufigen Skala an, wie gut ihnen die Vorstellung jeweils gelungen ist. Die Patienten bekamen Begleitmaterial zur Information und zum Lesen auf die nächste Sitzung mit und die Aufgabe, sich bis zur nächsten Sitzung Ziele in Bezug auf das Trainingsverfahren und die Erkrankung zu setzen.

Die zweite Sitzung beinhaltete neben der Besprechung der Begleitmaterialien, insbesondere des Placebo-Effektes, die Behandlung der Zielsetzung des Visualisierungsverfahrens. Dabei berichteten die Teilnehmer von ihren persönlichen Zielsetzungen in Bezug auf die Erkrankung und die Zielsetzung in Bezug auf das Visualisierungstraining. Es wurde herausgearbeitet, an welcher Stelle des Krankheitsgeschehens die Vorstellung eine Unterstützung bieten soll und dass die Teilnehmer eine Methode kennenlernen, die eigenen, der Person innewohnenden Kräfte und Möglichkeiten, die Erkrankung zu beeinflussen und zu bekämpfen auszunutzen und einzusetzen gegen die Erkrankung. Da die eigentliche Visualisierung in eine Entspannungsinduktion eingebettet ist, wird nach einer theoretischen Einführung in die Entspannung und ihren therapeutischen Nutzen zur Harmonisierung des Körpers die Imagination "Phantasiereise an den Ort von Ruhe und Kraft" durchgeführt. Zum Abschluss der Stunde bekommen die Patienten eine Ergänzung für die Mappe mit Begleitmaterialien sowie eine Übungskassette mit den Imaginationsübungen "Phantasiereise an den Ort von Ruhe und Kraft" und "Gesunde Funktionen". Bis zur nächsten Sitzung soll die "Phantasiereise an den Ort von Ruhe und Kraft" zur Übung täglich zweimal durchgeführt werden.

Die dritte Sitzung beinhaltete die Kräfte des Körpers. Über das Modell "Theorie zur Krankheitsentstehung und -aufrechterhaltung" kommt man über die Psyche als einen Einflussfaktor auf die Krankheit zur Eigenarbeit des Patienten. Es wird herausgearbeitet, dass jede Therapie vor allem eine Anregung zur Selbsthilfe ist. So wird bei der Krankengymnastik möglicherweise eine Bewegung passiv durchgeführt. Der Körper, in dem Fall der Muskel, ist es aber, der eigentlich arbeitet. Der Muskel baut durch die äußere Stimulation neue Muskelmasse hinzu. Der Einfluss der Wirkung von Gedanken auf den Körper wird anhand einer Übung zur Muskelspannung demonstriert und anschließend in seinem evolutionären Rahmen erläutert. Die Wirkung von Gedanken und Vorstellungen im Bereich der medikamentösen Therapie wird durch die Wirksamkeit von Placebopräparaten gestützt. Insgesamt kommt die Gruppe zu einem Ergebnis des Einflusses der Vorstellungen, die man sich macht, auf den Körper. Im Anschluss wird die Imagination "Gesunde Funktionen" durchgeführt. Die Teilnehmer erhalten die Aufgabe, die Übung "Gesunde Funktionen" bis zur nächsten Sitzung zweimal täglich durchzuführen. Zudem werden die Teilnehmer gebeten, sich zur nächsten Sitzung Gedanken zu machen, wie ein Bild zur Veränderung der Erkrankung für sie aussehen könnte.

Die vierte Sitzung bildet in der Eingangsbesprechung ein Resümee der ersten Woche und beinhaltet die Bilder, die sich die Patienten zu der Krankheitsveränderung überlegt haben. Eine erste Durchführung der spezifischen Visualisierung zur Krankheitsbekämpfung und Heilbehandlung wird ausführlich erläutert. Je nach Bedarf und Zeit wurde die Übung ein zweites Mal mit einer kurzen Entspannungsinduktion durchgeführt und besprochen. Im Anschluss an die Sitzung erhielten die Teilnehmer eine zweite Kassette mit den Übungen "Remyelinisierung und Regeneration" und "Zukunft ohne Krankheit". Bis zur nächsten Sitzung sollten sie die Übung "Remyelinisierung und Regeneration" zweimal täglich durchführen. Die Patienten bekamen einen Protokollbogen mit, auf den sie notieren sollten, wie oft sie die Übungen am Tag durchgeführt haben und wie gut ihnen ihrer Meinung nach die Vorstellung gelungen ist.

In der fünften Sitzung wurde der Ablauf einer Visualisierungsübung über die einzelnen Phasen besprochen. Es wird herausgearbeitet, wie man die Übung selbstständig kann. In der anschließenden Durchführung der Visualisierung wird ein weiteres Element der Krankheitsbekämpfung, die Entzündungsreduktion, zur Myelinreparatur hinzugenommen. Die Entspannungsinduktion ist hierbei kürzer gehalten und die Vorstellung der Myelinreparatur wird in dieser Übung offener gelassen. Nach der Besprechung der Übung erhalten die Patienten den Auftrag, bis zur nächsten Sitzung die Visualisierung weiterhin täglich zweimal durchzuführen und zu protokollieren. Dabei ist es den Teilnehmern offen gelassen, ob sie die Übung mit oder ohne Kassette durchführen wollen.

In der sechsten Sitzung wird nach der Besprechung der Visualisierung und dem allgemeinen Austausch die offene Form der Visualisierung noch einmal zur Festigung durchgeführt. Im Anschluss wird die Imagination "Zukunft ohne Erkrankung" durchgeführt. Zum einen führt diese Übung, ebenso wie die Übung "Gesunde Funktionen", vor Augen, dass die Krankheit nicht die ganze Person umfasst, sondern nur ein Teil der Person ist. Dieser Teil, die chronische Erkrankung, steht oft zentral im Leben der Patienten und lässt die Persönlichkeit und die vielfältigen gesunden Funktionen ins Hinterlicht treten. Diese wieder mehr wahrzunehmen und einzusetzen, darauf zielt die Imagination "Zukunft ohne Erkrankung" zum einen ab. Der zweite Aspekt ist, dass das Gefühl, ein Ziel zu haben, worauf man hinlebt, sehr aufbauend ist und Kraft und Zuversicht spendet. Zum Abschluss der Sitzung wird der zweite Fragebogen ausgegeben.

Die Sitzung zur Nachbesprechung diente der Besprechung und Klärung von Fragen und Anregungen. Es wurde darauf eingegangen, dass die Imagination auf andere Situationen und Problembereiche individuell erweiterbar ist. Dazu wurden konkrete Situationen aus dem Alltag aufgegriffen und konkret der Einsatz der Visualisierung hierbei besprochen. Es wurden die Fragbögen und die Protokollbögen eingesammelt. Die Kassetten konnten zur weiteren Nutzung behalten werden.

Zusammenfassung

Die vorliegende Pilotstudie prüft die Effektivität des Visualisierungstrainings nach Jungnitsch (1992) als Therapieverfahren bei MS-Betroffenen. Mit diesem Behandlungsverfahren wird eine Verbesserung beziehungsweise ein Aufhalten des Krankheitsfortschritts, eine bessere allgemeine psychische Befindlichkeit und eine bessere Krankheitsverarbeitung durch die psychologische Intervention erwartet. An der Studie nahmen 47 Patienten mit Mutipler Sklerose teil, davon 25 Personen an dem Visualisierungstraining. 22 Personen dienten als Vergleichsgruppe, sie nahmen statt am Visualisierungstraining am klinikinternen Angebot zum Autogenen Training teil. Das Trainingsprogramm umfasste den Zeitraum von zwei Wochen, im Rahmen des stationären Aufenthaltes der Betroffenen. Vor dem Training (Prä-Erhebung), zum Abschluss des Trainings (Post-Erhebung) und drei Monate nach Abschluss des Trainingsprogramms (Follow-up-Erhebung) füllten die Patienten Fragebögen aus. Die Teilnehmer am Visualisierungstraining zeigen in jedem der drei erhobenen Bereiche "Krankheitsveränderung", "Krankheitsverarbeitung" und "allgemein psychisches Befinden" Verbesserungen. Die Teilnehmer zeigten dabei zwar keine sprunghaften Veränderungen direkt im Anschluss an das Training, jedoch bleiben die Rehabilitationseffekte nach dem Klinikaufenthalt deutlich besser erhalten. Insgesamt scheint das Visualisierungsverfahren eine wertvolle Ergänzung in der Behandlung von MS-Kranken zu sein. Es wäre von Wert, den rehabilitativen Effekt an der Klinik mittels einer reinen Kontrollgruppe, an Hand von medizinischen Daten noch einmal zu überprüfen. Ein Ausblick bezüglich des Langzeiteffektes wäre es, an den Rehabilitationseinrichtungen das Trainingsprogramm zur Visualisierung zu einer offenen Gruppe zu erweitern, an der Betroffene, die das Visualisierungsverfahren bereits kennengelernt haben, ihr Wissen vertiefen und die praktische Anwendung erweitern können.

(Literaturnachweis auf Anfrage bei der Redaktion von FP erhältlich.)

Kontaktadresse der Autorin:
s. Seite 23 im Heft bzw. am Ende des nächsten Artikels

voriger Artikel ** nächster Artikel
Inhalt von FP 1/01 ** FP-Gesamtübersicht
Startseite