Stiftung LEBENSNERV, FORUM PSYCHOSOMATIK 2/01 |
Teil 2: "Neues aus der Forschung"
(Ärzte Zeitung vom 30. Mai 2001)
"Medizinstudenten interessieren sich im Laufe ihres Studiums immer weniger für die Zusammenhänge von Krankheit und Psyche sowie mögliche psychosoziale Hintergründe von Erkrankungen. Das ist das Ergebnis einer Studie an der Universität Göttingen. Für die Untersuchung, die in eine Dissertation (Doktorarbeit, d. Red.) mündete, hatte der Mediziner Guido Schmiemann über 700 Studierende aus verschiedenen Ausbildungsabschnitten zwei Fallgeschichten (Erkrankung an Depression / Demenzerkrankung) bearbeiten und einen Fragebogen beantworten lassen." Zwar gab es bei den Angaben zu den Fallgeschichten einen deutlichen geschlechtsspezifischen Unterschied (Frauen berücksichtigen psychosoziale Kriterien im Allgemeinen stärker als ihre männlichen Kommilitonen), insgesamt war jedoch das Interesse an psychosozialen Aspekten gering. Waren es bei der depressiven Erkrankung 15 Prozent, die in der Anamnese keine Fragen in dieser Richtung stellten, so waren es bei der Demenzerkrankung sogar 40 Prozent.
Zusammenfassend wird in der ÄrzteZeitung geschrieben: "Bei der
Frage nach der Behandlung der psychischen Probleme zeichnete sich ein klarer
Trend ab. Im Fall der Depression bevorzugten die Studierenden immer
stärker die medikamentöse Therapie sowie die Überweisung zu
einem Psychiater. Das Gespräch mit den Patienten trat in den Hintergrund.
Studien zufolge könne jedoch bei verschiedenen Erscheinungsformen der
Depression das Gespräch bereits eine ausreichende Therapie darstellen, so
Schmiemann. Auch bei Demenz-Erkrankungen ... hätten die Studierenden die
Behandlung auf die Therapie der Grundkrankheit reduziert und eine ganzheitliche
Sichtweise vernachlässigt. Insgesamt, so Schmiemanns Fazit, kommt es
analog zur Zunahme an biologischem Wissen' im Verlauf des Studiums zu
einem Verlust an psychosozialer Kompetenz. Da die Studierenden keine
ausreichende Ausbildung in Bezug auf ihre Kommunikationsfähigkeiten
erhielten, gingen sie auch in der Anamnese-Situation nicht auf diese Aspekte
ein. Es sei daher notwendig, psychosoziale Kompetenzen stärker in der
Lehre zu berücksichtigen und für ihre Implementierung
(Einführung, d. Red.) in das bestehende Curriculum (Lehrplan, d. Red.) zu
sorgen."
(pid/HGH)
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