Stiftung LEBENSNERV,
FORUM PSYCHOSOMATIK 2/01

Aus unserer Bücherkiste

von H.-Günter Heiden

Übersicht

Krämer, Günter: Multiple Sklerose von A-Z.
Peseschkian, Nossrat, Günther Sachse: Mit Diabetes komm' ich klar.
Bischof, Karen, Serafin Beer: Auch kleine Schritte führen weiter.


Krämer, Günter:
Multiple Sklerose von A-Z. Medizinische Fachwörter verstehen.
Stuttgart, Georg Thieme Verlag, 2. Auflage 2001, ISBN: 3-89373-656-5
232 Seiten, 25,90 DM

Stellen Sie sich einmal vor, Sie erhielten beim Arzt ohne weitere Erklärung die Diagnose "iatrogene Dyssomnie". Hört sich ziemlich schrecklich an, diese Krankheit, oder? Wahrscheinlich würden Sie die ganze Nacht nicht schlafen und am nächsten Tag in den Buchladen gehen, um ein medizinisches Wörterbuch zu kaufen. Hätten Sie schon den Ratgeber von Günter Krämer im Regal stehen, so wäre Ihnen sofort klar gewesen, dass "iatrogene Dyssomnie" lediglich "eine durch den Arzt hervorgerufene Schlafstörung" bedeutet.

In einem Medizinsystem, in dem die PatientInnen häufig mit Fachkauderwelsch allein gelassen werden, ist es um so wichtiger, als MS-Betroffene selber zu wissen, was etwa mit "Glatirameracetat" oder "Amaurosis" gemeint ist. In diesem Sinne trägt das Buch von Krämer zur Eigenverantwortung bei, denn Aufklärung ist wichtig. Den Eintrag unter "P" wie Psychosomatik hätten wir zwar anders geschrieben, aber dies tut dem Buch als Nachschlagewerk keinen Abbruch.

Zusätzlich zum umfänglichen Fachwortteil hat Krämer, der medizinischer Direktor der Schweizer Epilepsie-Klinik in Zürich ist, ein Abkürzungsverzeichnis aufgenommen sowie kommentierte Literaturempfehlungen, Adressen und Internet-Homepages. In dieser kompakten Form ist der vorliegende Band ein absolutes Muss für jede MS-Hausbibliothek.

 

Peseschkian, Nossrat, Günther Sachse:
Mit Diabetes komm' ich klar. Zurück zum inneren Gleichgewicht mit positiver Psychotherapie
Stuttgart, Georg Thieme Verlag 2001, ISBN: 3-89373-653-0
174 Seiten, 25,90 DM

Die Besprechung eines Diabetes-Buches in einer MS-Zeitschrift? Nun, mit Diabetes als chronischer Erkrankung hat der vorliegende Band aus dem Thieme-Verlag eher am Rande zu tun, denn das kleine Kapitel "Neue medizinische Aspekte bei Diabetes mellitus" bildet den Schluss des Buches. Im Vordergrund steht die Methode der "Positiven Psychotherapie" von Nossrat Peseschkian, die uns interessierte. Deshalb haben wir uns das Buch zur Rezension bestellt.

Nossrat Peseschkian nennt seinen Ansatz "positiv", weil "er vom Vorgegebenen, von der Ganzheit des Betroffenen ausgeht. Sein Gegenstand sind darum nicht nur die krankhaften Erscheinungen, Konflikte, Defizite und Leiden, sondern auch die Freuden, Fähigkeiten, Ressourcen und Möglichkeiten des Betroffenen".

Peseschkian betont, dass er auf "strenge Wissenschaft" zugunsten einer "praktischen und lebendigen Darstellung" verzichtet. Und damit ist das vorliegende Buch ziemlich genau charakterisiert. Seine Stärken hat es in der Mischung aus orientalischen Geschichten und Lebensweisheiten zum Bereich Psychosomatik und den konkreten Fallgeschichten. Seine Schwäche ist meines Erachtens, dass der Ansatz der "Positiven Psychotherapie" nur grob umrissen und nicht klar herausgearbeitet wird. Auch die 16 speziellen Techniken der Selbsthilfe empfinde ich eher als allgemeine Ausführungen und nicht als "Techniken", einmal abgesehen von der Technik, seiner Erkrankung einen Brief zu schreiben. So entsteht ein Eindruck von Beliebigkeit in der Zusammenstellung.
Was blieb, war ein Abend erhellender Lektüre von persischen Fabeln und vielen Aphorismen, die alle die eigene Verantwortung des erkrankten Menschen herausarbeiten, etwa: "Wenn Du eine hilfreiche Hand brauchst, so suche sie am Ende Deines Armes."

 

Bischof, Karen, Serafin Beer:
Auch kleine Schritte führen weiter. Multiple Sklerose. Die unfaßbare Krankheit
Zürich, Haffmans Sachbuch, 1999, ISBN: 3-251-40012-6
222 Seiten, 36,- DM

Eine recht originelle Mosaik-Konzeption liegt diesem Buch für Neubetroffene aus der Schweiz zugrunde: Die äußere Klammer bilden die e-mails des sportlichen Geschäftsmannes Patrick Huber an die Journalistin Karen Bischof. Darin erzählt er in knappen Worten den Beginn seiner Erkrankung. Eingebettet in diesen Rahmen sind acht persönliche Geschichten von MS-betroffenen Frauen und Männern, die teilweise im "Originalton" belassen werden. Zwischen diese Geschichten wiederum werden Fachartikel gestellt, etwa "Was ist MS?" oder "Therapiemöglichkeiten". Zum Abschluss findet man Artikel über die Schweizerische MS-Gesellschaft, eine Firmeninformation der Schering AG über Beta-Interferon, einen kurzen Adressteil und ein Verzeichnis medizinischer Fachausdrücke.

Nach dem Lesen bleibt bei mir ein zwiespältiger Eindruck zurück: Recht gelungen finde ich den Versuch, eine aufgelockerte Darstellung zu erreichen. Inhaltlich wird es spannend, wenn die persönlichen Geschichten erzählt werden, wobei der Medizinbetrieb in Puncto Diagnosestellung oder Kommunikation der ÄrztInnen mit den verunsicherten PatientInnen schlecht wegkommt. Schade, dass bei den Erzählungen der Sprache des Körpers so wenig nachgegangen wird, da bei fast allen Geschichten der Betroffenen Fragen der Identitätsbildung im Text auftauchen.

Schade auch, dass die Fachartikel so unterschiedlich gewichtet sind. Während die schulmedizinischen Artikel recht ausführlich sind und die Physiotherapie sogar 27 Seiten erhält, wird dem Teil "Umgang mit der Krankheit - Psychologie / Partner / Familie / Umfeld" nur ein fünfseitiges Gespräch mit der Psychologin der Schweizerischen MS-Gesellschaft gewidmet. Die "Selbsthilfe" erhält sogar nur drei Seiten. Gänzlich fehlt eine ganzheitliche Sicht auf die Erkrankung und die Betroffenen.

Mein Fazit: Das gute Mosaik-Konzept weist wichtige inhaltliche Lücken auf - schade.

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