Stiftung LEBENSNERV, FORUM PSYCHOSOMATIK 1/02 |
Kunsttherapie spielt eine aktive Rolle in der Behandlung von MS-PatientInnen. Die häufigsten funktionellen Indikationen sind visuelle Einschränkungen, Ataxie und feinmotorische Störungen. Besonders häufig jedoch wird die Kunsttherapie bei depressiver Krankheitsverarbeitung, Unruhe, kognitiven Störungen, aber auch dem Fehlen von kreativen Problemlösungsstrategien eingesetzt.
Das Setting gestaltet sich folgendermaßen: Die Therapie findet in halbstündigen Einheiten als Einzeltherapie statt, oder in einstündigen Gruppen mit zwei bis vier TeilnehmerInnen je nach Schwere der Erkrankung.
In der ersten Stunde wird bei der Gestaltung eines Spontanbildes von Seiten der Therapeutin nicht eingegriffen. Lediglich die Farben und die Verwendung des Materials werden erklärt. Das erste Bild sollte möglichst immer ein Bild in der Nass-in Nasstechnik sein, dabei wird mit flüssigen Farben auf nassem Papier gearbeitet. Dies ist insofern wünschenswert, als die Verarbeitung der Farben ebenso wie die Spuren des Pinsels gewisse Rückschlüsse auf die emotionale Befindlichkeit oder motorischen Schwierigkeiten des Patienten zulässt.
Der Tisch ist immer vorbereitet, das heißt, der Patient findet Farben, Palette, Wasserglas, etc. bereits vor, wenn er den Raum betritt. Dies ist insofern von Bedeutung, als dadurch bei vielen PatientInnen bereits eine unsererseits sehr erwünschte Neugierde hervorgerufen und die Compliance (Bereitschaft zur Mitwirkung, d. Red.) vorbereitet wird. Zum größten Teil handelt es sich um PatientInnen, die seit der Schulzeit nicht mehr gemalt haben.
Obwohl die Skepsis zu Beginn häufig sehr groß ist, lassen sich doch die meisten PatientInnen gut auf die Maltherapie ein. Und häufig ist zu erleben, dass in der Maltherapie ein Ausdrucksmedium gefunden wird, das auch nach der Entlassung wesentlicher Bestandteil des Alltags wird.
In Bezug auf die Sehfeldeinschränkung versuchen wir langsam darauf hinzuarbeiten, dass ein bewussteres Sehen erübt wird. Hier hat sich besonders das Kopieren bewährt: Der Patient sucht sich eine Vorlage aus, die ihn anspricht. Der nächste Schritt wäre, eine Vorlage vorzuskizzieren. Je nach Schwere der Einschränkung, kann dies eine freie Bleistiftskizze sein, oder aber die Konturen werden mit Folienschreiber auf Prospekthüllen gepaust und die so entstandene Vorlage wird dann per Kopierer auf ein Aquarellpapier übertragen. Diese betont genaue Vorlage bietet dem Patienten die Möglichkeit, sich selbst immer wieder anhand der Vorlage zu korrigieren, oder aber von Seiten des Therapeuten immer wieder auf Unstimmigkeiten und unbearbeitete Flächen hingewiesen zu werden. Im Bereich der Ataxie und der feinmotorischen Defizite wird das Formenzeichnen eingesetzt, da hierbei besonders der Bewegungsfluss stimuliert wird...
Zusammenfassend ist zur Maltherapie zu sagen, dass besonders psychisch belastete PatientInnen sehr von dieser Therapieform profitieren.
Viele PatientInnen verarbeiten eine chronische Erkrankung depressiv. Sie fühlen sich verletzlich, ängstlicher als früher oder bei schwereren Folgeschäden nutzlos, insuffizient, eine Last für die Angehörigen.
Hier bietet die ruhige, eher beschauliche Arbeit in der Maltherapie einen Rahmen, in dem auch schwerbetroffene Menschen eine Möglichkeit finden, ihre Handlungsfähigkeit zu erleben. Die Maltherapie ist in erster Linie ressourcenorientiert. Das heißt, die Therapeutin versucht, die Fähigkeiten eines Patienten im Spontanbild auszuloten und diese zu verstärken.
Auch wenn in der Folge häufig mit wachsendem Ehrgeiz eine gewisse Produktorientiertheit eintritt, führen die oft sehr gelungenen Arbeiten zu einem besseren Selbstwertgefühl und einer positiveren Einstellung.
Probleme des Alltags scheinen leichter zu lösen und erlernte Problemlösungsstrategien werden auf alltagsrelevante Situationen übertragen.
Klinik Ambrock
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