Stiftung LEBENSNERV,
FORUM PSYCHOSOMATIK 2/06


Empowerment


Versuch der Annäherung an einen vielschichtigen Begriff

Hintergrund, Inhalte und Bedeutung des Empowerment-Konzepts


Vortrag auf dem Curriculum -Workshop der Stiftung LEBENSNERV
am 9. Dezember 2005



von H.- Günter Heiden


Vorbemerkung

Die deutsche Sprache hat Begriffe hervorgebracht, die unübersetzbar in andere Sprachen sind: So gelten die Begriffe „Kindergarten“, „Sauerkraut“ oder „Autobahn“ als typisch deutsch und werden im Englischen auch so verwendet und nicht anglifiziert. Ähnliches gilt umgekehrt für den Begriff „empowerment“. Im Englisch-Wörterbuch von Langenscheidt heißt es zwar, man könne den Begriff „empower“ mit „ermächtigen“oder „bevollmächtigen“ übersetzen, doch ein Substantiv „Ermächtigung“ erinnert mich an das Ermächtigungsgesetz im sogenannten „Dritten Reich“ und eine „Bevollmächtigung“ scheint mir eher Ähnlichkeit mit dem Alltag eines Gerichtsvollziehers zu haben. Das geht nun nicht nur mir so – viele deutschsprachige AutorInnen, die sich mit dem Empowerment-Konzept beschäftigen, bleiben auch im Deutschen ganz einfach beim „empowerment“. Im Französischen wird ebenfalls von „l’empowerment“ gesprochen, eine treffende Übersetzung gibt es auch hier nicht.

Mein Aufgabe ist es, den Begriff „Empowerment“ etwas deutlicher herauszuarbeiten. Ich möchte mich in einem ganzheitlichen Sinne einmal von verschiedenen Seiten an diesen Begriff annähern, damit es uns besser gelingt zu verstehen, was damit gemeint sein könnte. Denn wenn wir als Stiftung LEBENSNERV ein „Empowerment-Training“ anstreben, sollte einigermaßen klar sein, was dabei alles mitschwingen kann. Ich möchte dabei recht langsam und ausführlich vorgehen, und möglichst viele Facetten des Begriffes und seiner heutigen Verwendung vorstellen.


1. Meine Ebenen der Annäherung an den Begriff „Empowerment“
assoziativ

Als erste Annäherung habe ich bei der Vorbereitung auf dieses Referat ein kleines privates Brainstorming gemacht. Was fällt mir an anderen Worten ein, die mit „power“ zu tun haben? Das war zuerst „black power“, die kraftvolle Geste der dunkelhäutigen USOlympiasieger 1968 in Mexiko. Das war „Powerplay“, die sportliche Überlegenheit einer Mannschaft, häufig beim Eishockey verwendet. Das war „powern“, wenn man große Leistung entfaltet oder auch „ausgepowert“, wenn man keine Kraft mehr hat. Das war der Song von John Lennon „power to the people“ oder „Flower power“, die „Blumenrevolution“ und nicht zuletzt auch die „Frauenpower“.

Danach habe ich im dtv-Lexikon nachgeschlagen: Dort las ich die Begriffe „Power-Tests“ und „Power-slide“. Erstere sind psychodiagnostische Verfahren zur Leistungsfähigkeit, zweiteres ist eine Kurventechnik beim Motorsport, bei der Wagen mit voller Kraft in die Kurve rutschen, um dann geradeaus weiter zu fahren.

Mein Fazit dieser Annäherung: Für mich ist der Begriff „empowerment“ positiv besetzt und geht mit viel Kraft einher.


Englisch-Lexika

Auf der nächsten Ebene habe ich zu einem reinen Englisch-Wörterbuch gegriffen. In einem Onlinelexikon ist die Bedeutung für „empower“ zunächst mit: „to give somebody the power or authority to do something“ gegeben (auf Deutsch: „jemandem die Kraft oder die Autorität geben, etwas zu tun“).

Es ist aber noch eine zweite Bedeutung aufgeführt, die in unserem Zusammenhang schon vielversprechender klingt: „to give somebody more control over their own life or the situation they are in“ (auf Deutsch: „jemandem mehr Kontrolle über das eigene Leben oder jeweilige Situation geben“). Als Beispielsatz für eine Verwendung wird angeführt: „The movement actively empowered women and gave them confidence in themselves“ (etwas holprig auf Deutsch: „Die Bewegung empowerte die Frauen aktiv und gab ihnen Selbstvertrauen“).

Ein englischsprachiges Herkunftswörterbuch hielt aber dann eine Überraschung für mich bereit: Bislang ging ich davon aus, dass es sich bei „empowerment“ um ein neuzeitliches Modewort handelte. Jetzt las ich, dass der Ursprung des Wortes in der Mitte des 17. Jahrhunderts zu finden ist. Die Be-deutung lag damals im rechtlichen Bereich „to invest with authority, to authorize“ (auf Deutsch: „mit Autorität ausstatten, autorisieren“). Ein gewisser William Penn, so las ich, soll den Begriff 1690 in seinen Schriften benutzt haben.

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