Stiftung LEBENSNERV,
FORUM PSYCHOSOMATIK 2/07

Bücherkiste

Kritik der Medikamentenmedizin

Jacky Law: BIG PHARMA.
Das internationale Geschäft mit der Krankheit.
Patmos Verlag, Düsseldorf
2007, ISBN: 978-3-491-36001-3, 328 S. 24,90 Euro

Ein Buch, das ich am späten Freitag abend in die Hand nehme, zu lesen beginne und nicht mehr aufhören kann? Ist das ein neuer Krimi von Elizabeth George? Eine Art Krimi ist das schon, nämlich ein spannendes Sachbuch über das internationale Geschäft mit der Krankheit. Autorin ist die britische Wissenschaftsjournalistin Jacky Law, die seit 25 Jahren über das Gesundheitswesen schreibt und sieben Jahre lang bei „scrip magazine“ (einer monatlichen erscheinenden Zeitschrift zu Themen der Pharmaindustrie) gearbeitet hat. Im Jahr 2004 hat sie dort aufgehört, um sich der Arbeit an „Big Pharma“ zu widmen und ich muss gestehen – es hat sich gelohnt! Law beschreibt mit Insider-Wissen, wie die Pharmaindustrie neue Medikamente pusht, dazu auch völlig neue Krankheitsbilder erfindet oder die Grenzwerte bei bestehenden Erkrankungen (etwa beim Bluthochdruck) verändert. Sie beschreibt, wie Fachärzte vereinnahmt und Studien „bearbeitet“ werden. Der Bezugsrahmen des Buches ist zwar vor allem der anglo-amerikanische Markt, vom Verlag wurden in der Übersetzung jedoch die deutschen Markennamen von Medikamenten hinzugefügt.

Frappierend ist auch die mit Fakten untermauerte Darstellung, wie der Placebo-Effekt (nach Law eine der stärksten selbstheilenden Kräfte imMenschen) ausgeschaltet werden soll – etwa indem bestimmte Personen, die stark auf Placebos ansprechen, von Studien ausgeschlossen werden. Was nun tun? Laws Zukunftsvision ist eine vertrauensvolle Arzt-Patient-Beziehung (mit autonomen PatientInnen) und einem Gesundheitssystem, das nicht vorrangig für die Profite der Industrie da ist.


HGH

Auf dem Weg zu kleinen, braunen Bären...

Christophe André: Unvollkommen, glücklich und frei.
Die Kraft des Selbstbewusstseins.
Patmos Verlag, Düsseldorf 2007, ISBN: 978-3-491-42101-1, 330 S.
24,90 Euro

Christoph André ist Psychiater und Psychotherapeut in Paris und steht mit seinem leicht geschriebenen Buch zum Selbstwertgefühl seit einem Jahr auf den französischen Bestseller-Listen. Als ich das Buch in die Hand nahm, dachte ich zuerst an Dale Carnegie und seinen Welterfolg „Sorge dich nicht, lebe!“, doch André konzentriert sich in ganzer Linie auf das (meist unterwickelte) Selbstwertgefühl vieler Menschen und darauf, wie man es verändern kann. Der Autor geht davon aus, dass dies möglich ist und belegt dies in 43 lockeren Kapiteln, die aus psychologischen Hintergründen, Beispielen aus seiner Therapiepraxis oder konkreten Übungen bestehen. Auch die 7-jährige Tochter des Autors oder Andrés eigene Unzulänglichkeiten spielen eine wichtige Rolle. Mir ging es schon beim Lesen so, dass ich mich zusehends gelassener mit meiner eigenen Unvollkommenheit fühlte.

Neben der Voraussetzung, sich so anzunehmen wie man oder frau wirklich ist und nicht ständig auf den „inneren Kritiker“ zu hören, ist nach André das Handeln wichtig, handeln und Wiederholen des Handelns. DerWeg zu einem „gesunden“ Selbstwertgefühl ist weit, aber es gibt ihn, so heißt es an einer Stelle im Buch und etwas zu tun ist „Sauerstoff für das Selbstwertgefühl“. Eine der schönsten Kapitel für mich war „Der kleine braune Bär ist stolz auf sich“, in dem der Autor mit seiner Tochter gemeinsam ein Kinderbuch liest. In der Geschichte unternimmt dieser Bär ständig Dinge, auf die er stolz ist, ein Beispiel: „Der kleine braune Bär zeichnet schön runde Kreise. Er sagt: Ist das nicht schön?“ Ich will jedenfalls auch ein kleiner, brauner Bär werden...


HGH

Rogers und die Neurowissenschaften

Michael Lux: Der Personzentrierte Ansatz und die Neurowissenschaften.
(Personzentrierte Beratung & Therapie; Band 6)
Ernst Reinhardt Verlag, München 2007,
ISBN: 978-3-497-01902-1, 184 S.
19,90 Euro

Lässt sich die Wirksamkeit des personenzentrierten Ansatzes von Carl R. Rogers aus den 60er Jahren ein halbes Jahrhundert später mit Hilfe der Neurowissenschaften erklären, unter anderem den Arbeiten von Antonio Damasio? Der Diplom-Psychologe Michael Lux ist davon überzeugt: „Bei mir hat die Beschäftigung mit neurowissenschaftlichen Grundlagenbefunden in der beruflichen Praxis dazu geführt, noch mehr auf den eingeschlagenenWeg als Personenzentrierter Psychotherapeut zu vertrauen.“ Zu Beginn des Titels werden die Grundlagen von Rogers in 19 Thesen dargestellt, anschließend beschreibt Lux verschiedene Themenbereiche der Neurowissenschaften, etwa neuronale Plastizität (vgl. dazu auch die Ausführungen in der Laudatio von Thomas Bade in dieser Ausgabe), neuronale Verschaltungsmuster, Spiegelneurone oder die Theorie der somatischen Marker. Den letzten Teil bilden Ausführungen zum Konzept einer „neurowissenschaftlich fundierten Personenzentrierten Psychotherapie“ – noch ein „Gerüst“, wie der Autor selbstkritisch anmerkt, jedoch „kein ausreichender Grund dafür, diesen Versuch zu unterlassen“. Das vorliegende Buch ist zwar nicht so leicht geschrieben wie die beiden obigen Titel, bietet jedoch für alle, die an der aktuellen Entwicklung der Neurowissenschaften und ihrer Bedeutung für die Therapie interessiert sind, eine wichtige und aufschlussreiche Lektüre.


HGH



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