FORUM PSYCHOSOMATIK

Zeitschrift für Psychosomatische MS-Forschung, 23. Jahrgang, 1. Halbjahr 2013

Von ÄrztInnen, PatientInnen und Krankenhäusern

Ein Interview von Constanze Kleis mit Dr. Bernd Hontschik



Dr. Bernd Hontschik ist Facharzt für Chirurgie in Frankfurt am Main, niedergelassen in einer Gemeinschaftspraxis mit ambulantem Operationszentrum in der Frankfurter Innenstadt und ein engagierter Verfechter einer Medizin, die den Mensch in den Mittelpunkt stellt. Ein Ziel, das er auch als erfolgreicher Autor und Herausgeber der Taschenbuchreihe „medizinHuman“ im Suhrkamp-Verlag verfolgt. Sein Buch „Körper, Seele, Mensch – Versuch über die Kunst des Heilens“ wurde ein Bestseller. Er schreibt außerdem seit Jahren regelmäßig Kolumnen in der Frankfurter Rundschau, die auch als Buch erschienen sind („Herzenssachen – so schön kann Medizin sein“).

Seit 1998 ist er Vorstandsmitglied der Thure von Uexküll-Akademie für Integrierte Medizin und Mitherausgeber der Schriftenreihe der Uexküll-Akademie für Integrierte Medizin im Schattauer Verlag. Er ist Mitglied im wissenschaftlichen Beirat der Zeitschrift „Chirurgische Praxis“, u.a. auch Mitglied der IPPNW („Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs – Ärzte in sozialer Verantwortung“) sowie in der Ärztevereinigung MEZIS („Mein Essen zahl ich selbst“) und seit 2010 auch Projektleiter für Integrierte Medizin am Institut für therapeutische Kommunikation der Steinbeis-Universität in Berlin.

Sie sind seit mehr als dreißig Jahren Arzt – lange auch im Krankenhaus – war früher alles besser?

Früher war wirklich nicht alles besser. Früher mussten wir im Krankenhaus teilweise 48 Stunden am Stück arbeiten. Früher waren die technischen diagnostischen und die therapeutischen Möglichkeiten viel eingeschränkter und undifferenzierter. Das Computertomogramm, die Kernspintomographie und die Ultraschalluntersuchung haben alle diagnostischen Routinen verändert und verbessert. Auch die Operationsmethoden haben sich erheblich verändert und verbessert, besonders durch das endoskopische Operieren. Und man hat als Arzt bessere und differenziertere Medikamente an der Hand. Endlich gilt außerdem das Arbeitszeitgesetz auch für Ärzte, Mammutdienste sind verboten. Pech ist nur, dass statt der erforderlichen Anzahl neuer Stellen Rationalisierung und Arbeitshetze in einem im Vergleich zu früher ungeahntem Ausmaß Einzug ins Krankenhaus gehalten haben, im ärztlichen und im Pflegebereich. Leider hat der Fortschritt auch dazu geführt, dass die eigentliche ärztliche Arbeit verdrängt, teilweise sogar ersetzt wird. Wer heute Kniegelenksschmerzen hat, wird oft direkt ins Kernspintomogramm geschoben, statt dass sein Knie einmal ordentlich untersucht wird. Wer heute Herzschmerzen hat, wird schnell mit einer Herzkatheteruntersuchung „abgefertigt“, statt dass eine gründliche Anamnese und ausführliche ärztlichen Untersuchung geschieht. Antibiotika werden so un- kritisch eingesetzt, dass Resistenzen rasant zunehmen. Und was ich am schlimmsten finde: Die ärztlich-medizinische Entscheidung wird besonders in Krankenhäusern immer unwichtiger. Die Betriebswirte haben das Sagen, die Bilanz muss stimmen, und wenn rote Zahlen da sind, wird nicht die Finanzierung des Gesundheitswesens verbessert, sondern Krankenhäuser werden kaputt gespart.

In keinem Land werden so viele Krankenhäuser privatisiert wie in Deutschland.Woran liegt das?

Ich halte die Privatisierungswelle im Krankenhausbereich für eine der schlimmsten der zerstörerischen Entwicklungen in unserem Gesundheitswesen. Warum ausgerechnet Deutschland dabei weltweit an der Spitze liegt, ist mir ein Rätsel. Vielleicht liegt es an Lobbyismus und Korruption, in Verbindung mit der zunehmenden Schere zwischen öffentlicher Armut und privatem Reichtum – aber das gibt es in anderen Ländern auch. Diese Entwicklung wird man nicht rückgängig machen können, man muss sie stoppen, sich dagegen stellen, wo immer man kann. Die Bürger sollten kommunale, öffentliche und kirchliche Krankenhäuser verteidigen wie ihr Eigentum.








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