FORUM PSYCHOSOMATIK

Zeitschrift für Psychosomatische MS-Forschung, 23. Jahrgang, 2. Halbjahr 2013

Pride Parade in Berlin: "Wir sind bunt und frech!"

In dieser kurzen Formel fasste Prof. Dr. Theresia Degener all das zusammen, was sich am Samstag, den 13. Juli 2013 in Berlin bei der ersten Pride Parade in Deutschland mit rund 1.000 Teilnehmenden zeigte. Als Beweis zertrümmerte sie nach ihrer beeindrucken Rede auf der Abschlusskundgebung am Kottbusser Tor ein Holzbrett mit der Aufschrift ´Terror der Normalität`: "Es ist höchste Zeit", so Degener, "die Verschleierung und Legitimierung von Menschenrechtsverletzungen an Behinderten durch das medizinische Modell zu enttarnen. Sondereinrichtungen für Behinderte sind keine Schonräume sondern Apartheid. Mitleid mit Behinderten ist keine Tugend, sondern Dominanzverhalten. Zwangsbehandlung ist keine Therapie, sondern Traumatisierung!"

Während des Marsches selber sprach sich Degener auch für das Gesetz zur Sozialen Teilhabe des Forums behinderter Juristinnen und Juristen aus: "Der Artikel 19 der UN-Behindertenrechtskonvention gibt allen Menschen das Recht ihren Wohnort und die Wohnform selbst zu bestimmen", verkündete Degener. "Eine Prüfung auf Einkommen und Vermögen bei einem hohen Bedarf an Assistenz wirkt diesem Recht entgegen und ist unzulässig".

Die Existenz dieser diskrimierenden Rechtsvorschrift war längst nicht allen Teilnehmenden an der Pride Parade bekannt, wie Dr. Sigrid Arnade, Stiftungsvorsitzende von LEBENSNERV und Geschäftsführerin der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben (ISL), berichtet: "Wir haben ja mit unseren Plakaten und T-Shirts auch auf die Petition zum Recht auf Sparen aufmerksam gemacht und wir wurden von vielen angesprochen, was damit eigentlich gemeint sei", sagt Arnade. "Als sie dann von der 2600-Euro-Grenze erfuhren, waren sie zu Recht empört."

Arnade begrüßte diese erste Pride Parade und hofft auf noch beeindruckendere Züge in den nächsten Jahren: "Es wird höchste Zeit, dass wir auch in Deutschland auf der Straße beweisen, dass aus Scham Stolz werden kann und muss!"

"...in Anerkennung des wertvollen Beitrags, den Menschen mit Behinderungen ... leisten und leisten können und in der Erkenntnis, dass die Förderung des vollen Genusses der Menschenrechte und Grundfreiheiten durch Menschen mit Behinderungen sowie ihre uneingeschränkte Teilhabe ... zu erheblichen Fortschritten in der ... Gesellschaft ... führen wird, ..."

(UN-Behindertenrechtskonvention, Präambel, m)





voriger Artikel ** nächster Artikel
FP-Gesamtübersicht
Startseite