Stiftung LEBENSNERV,
FORUM PSYCHOSOMATIK 2/97

Klare Grenzen für die medizinische Forschung - Nürnberger Kodex 1997

Teil 1 von 5 Teilen

Übersicht

Teil 1    Einleitung der Redaktion FORUM PSYCHOSOMATIK
 
Der Nürnberger Kodex 1997
Präambel
1. Voraussetzungen des Medizinversuches
Teil 2 2. Der »informed consent« als eine Grundlage des Gesundheitswesens
3. Art des Menschenversuches
Teil 3 4. Fortpflanzungsmedizin und Pränataldiagnostik
5. Gendiagnostik 
Teil 4 6. Gentherapie
7. Transplantationsmedizin
Teil 5 8. Sterbebegleitung und Sterbehilfe
9. Medizin und Ökonomie
10. Medizin in einer Welt
 
 Nachtrag zu Mitwirkenden am Kodex sowie Bestellmöglichkeit

 


Einleitung der Redaktion FORUM PSYCHOSOMATIK

Vor 50 Jahren verkündete ein US-Militärgericht die Urteile gegen Mediziner, die in der Nazidiktatur Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hatten. Bestandteil des Urteils war der »Nürnberger Kodex«, eine strenge Richtlinie für das Ärzte-Patienten-Verhältnis. 50 Jahre später haben die Internationalen Ärzte gegen den Atomkrieg nun den Kodex fortgeschrieben und an die neuen Entwicklungen angepaßt. FORUM PSYCHOSOMATIK dokumentiert den Text des »Nürnberger Kodex 1997«.

 


Präambel

Im Gedenken an die Opfer gewissenloser Menschenversuche, des Massenmordes an psychisch kranken und behinderten Menschen und anderer Verbrechen gegen die Menschlichkeit, deren sich deutsche Ärztinnen und Ärzte im Nationalsozialismus schuldig gemacht haben,

im Bewußtsein der Verantwortung, welche der Nürnberger Kodex von 1947 und die „Richtlinien für neuartige Heilbehandlung und für die Vornahme wissenschaftlicher Versuche am Menschen“ von 1931 allen Forschenden auferlegen,

eingedenk der Ambivalenz des medizinischen Fortschritts und seiner möglichen Gefahren für die Menschlichkeit

und getragen von dem Wunsch, Kranke und Heilkundige vor der Bedrohung durch kommerzielle und andere fremdnützige Interessen zu schützen,

bekennen sich Ärztinnen und Ärzte sowie alle anderen Menschen, die durch ihre berufliche Tätigkeit in Beziehung zu Patienten stehen, zu ihrer persönlichen Verantwortung für das gesundheitliche Wohl des Individuums und zur Verwirklichung einer menschlichen Medizin und erklären:

1. Voraussetzungen des Medizinversuches

(Punkt 1 des Nürnberger Kodex von 1947)

„Die freiwillige Einwilligung der Versuchsperson ist unbedingt erforderlich. Das heißt, daß der Betreffende die anerkannte Fähigkeit haben muß, seine Einwilligung zu geben. Er muß in der Lage sein, eine freie Entscheidung zu treffen, unbeeinflußt durch Gewalt, Betrug, List, Druck, Vortäuschung oder irgendeine andere Form der Beeinflussung oder des Zwangs. Er muß genügend Kenntnis von und Einsicht in die wesentlichen Fakten des betreffenden Versuchs haben, um eine verstehende und aufgeklärte Entscheidung treffen zu können. Diese letzte Bedingung macht es notwendig, daß der Versuchsperson vor der Annahme ihrer zustimmenden Entscheidung das Wesen, die Dauer, und der Zweck des Versuchs klargemacht werden; sowie die Methode und die Mittel, welche angewendet werden sollen, alle Unannehmlichkeiten und Gefahren, welche mit Fug zu erwarten sind, und die Folgen für ihre Gesundheit oder ihre Person, welche sich aus der Teilnahme ergeben mögen. Die Pflicht und die Verantwortlichkeit, den Wert der Zustimmung festzustellen, obliegt jedem, der den Versuch anordnet, leitet oder ihn durchführt. Dies sind persönliche Pflichten und persönliche Verantwortungen, welche nicht ungestraft auf andere übertragen werden können.“

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