Stiftung LEBENSNERV,
FORUM PSYCHOSOMATIK 1/98

Forschungspreis zu Psychosomatik der Multiplen Sklerose verliehen

Die Berliner Stiftung LEBENSNERV hat zum dritten Mal ihren mit 5.000,- DM dotierten Forschungspreis verliehen. Der Preis, der Arbeiten auf dem Gebiet der Psychosomatik der Multiplen Sklerose (MS) auszeichnet, wurde am 29. November 1997 im Rahmen eines wissenschaftlichen Symposiums in der Park-Klinik Weißensee in Berlin vergeben. Der Preis wurde in diesem Jahr auf zwei gleichrangige Diplomarbeiten der Fachrichtung Psychologie an der Universität Bremen aufgeteilt: Brigitte Holtkotte und Hedwig Griesehop erhielten die Auszeichnung für eine Arbeit, die den Einfluß von lebensgeschichtlichen Erfahrungen auf die Krankheitsbewältigung untersuchte. Rainer Beese erhielt den Preis für seine Arbeit, in der er die unterschiedlichen Bewältigungsstrategien schwer betroffener MS-erkrankter Menschen in häuslicher Umgebung mit denen in einem Pflegeheim verglich.

Der Titel ihrer Arbeit „Multiple Sklerose – Multiple Bewältigungsformen“ verweise auf die große Bandbreite der Krankheitsbewältigung, die sich individuell unterschiedlich gestalte, betonten die Autorinnen Griesehop/Holtkotte in ihrem Vortrag. Der Schwerpunkt ihrer Arbeit liege nicht auf allgemeinen psycho-sozialen bzw. medizinischen Problemen, sondern auf der individuell-subjektiven Ausgestaltung eines Lebens mit MS. Die beiden Psychologinnen untersuchten insbesondere, welchen Einfluß lebensgeschichtliche Erfahrungen und subjektive Bedeutungszuschreibungen auf Krankheitsbewältigung haben.

Am Beispiel von drei Frauen und zwei Männern zeigten sie, daß die Betroffenen vor dem Hintergrund ihrer Biographie der Krankheit „Sinn“ verleihen und somit biographische Entwicklungsbedingungen und -verläufe die Wahrnehmung, Verarbeitung und Bewältigung der MS bestimmen. Krankheitsbewältigung aus der Selbstsicht zu begreifen, so die Autorinnen, könne für die klinisch-therapeutische Praxis neue Blickwinkel eröffnen und helfen, die Betroffenen besser zu verstehen.

In seiner empirischen Arbeit „Krankheitsbewältigung bei Multiple Sklerose im fortgeschrittenen Stadium unter besonderer Berücksichtigung der Versorgungssituation“ untersuchte Rainer Beese das Coping schwerst MS-erkrankter Menschen in zwei Lebensbereichen. Gruppe eins waren MS-Betroffene, die in der eigenen Wohnung, bzw. im eigenen Haus ambulant von Angehörigen und Pflegeverbänden versorgt werden. Die zweite Gruppe umfaßte MS-Betroffene, die in Pflegeheimen leben und dort stationär betreut werden. Die Hypothese, daß zu Hause lebende MS-Betroffene über ein förderliches Coping verfügen und mit ihren Lebensbedingungen grundsätzlich zufriedener sind, konnte Beese im Kern bestätigen. Als Perspektive zur Verbesserung der Lebensqualität MS-Betroffener schlägt der Autor das Erlernen förderlicher Copingstrategien mittels eines verhaltensmedizinischen Trainings vor. Außerdem ermuntert Beese zur interdisziplinären Forschung im Bereich der Multiplen Sklerose.

In seiner Laudatio hob das Jurymitglied Dr. Peter Henningsen von der psychosomatischen Klinik der Universität Heidelberg hervor, daß beide Arbeiten in vorbildlicher Weise das Weizsäcker-Wort von der Einführung des „Subjekts in die Medizin“ berücksichtigt haben. Das Interesse aller an der Forschung beteiligten „Subjekte“ transparent zu machen, solle, so Henningsen, auch in Zukunft die Basis des Forschungspreises der Stiftung LEBENSNERV sein.

HGH

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