Stiftung LEBENSNERV, FORUM PSYCHOSOMATIK 1/98 |
Teil 4 (letzter Teil): "Coping Training" von Björn Kruse, Dieter Pöhlau, Joachim Kugler
Zur Verbesserung der
Krankheitsverarbeitung haben wir ein Coping Training entwickelt:
Über acht bis zehn Wochen findet einmal wöchentlich ein
Gruppenabend unter Leitung eines Medizinpsychologen, der gleichzeitig Arzt und
Diplompsychologe ist, statt. An diesen Abenden werden in einem
Rundlauf die Probleme der Gruppenmitglieder in der letzten Woche
durchgesprochen und gemeinsam Lösungsansätze für typische
Probleme gesucht. Charakteristische Themenfelder sind z. B.: Wie gehe ich damit
um, wenn ich nicht mehr alles selbst machen kann und Hilfe in Anspruch nehmen
muß? Wie gehe ich mit der Zukunftsungewißheit um? Wem erzähle
ich wann von meiner Erkrankung? Was bedeutet die Erkrankung für meine
weitere Lebensplanung? Außerdem werden in diesen Gruppensitzungen
allgemeine Informationen über die Erkrankung gegeben, z. B. über
Krankheitssymptome und -auslösung sowie Behandlungsmöglichkeiten. Wir
legen den Teilnehmern nahe, eine Entspannungstechnik (z.B. das autogene
Training oder die progressive Muskelentspannung) zu erlernen.
In unseren Untersuchungen haben wir parallel zur Gruppentherapie Effekte auf die Psyche und das Immunsystem gemessen: Wir ließen von den Gruppenteilnehmern an jedem Sitzungsabend einen Fragebogenkatalog ausfüllen, der unter anderem die Depressivität und die Lebensqualität erfaßte. Außerdem haben wir ebenfalls parallel zu den Gruppensitzungen Immunanalysen durchgeführt, u. a. Bestimmungen der Untereinheiten der weißen Blutzellen.
Die meisten Gruppenteilnehmer gaben an, daß ihnen die Teilnahme an den Gruppensitzungen sehr gut getan und im täglichen Umgang mit ihrer Erkrankung deutlich geholfen habe. Auch in den Fragebögen ließ sich dieser Trend nachvollziehen: Die Ergebnisse ergaben im Durchschnitt eine deutlich erniedrigte Depressivität und erhöhte Lebensqualität nach der Gruppentherapie. Ob diese Effekte anhalten, werden wir in entsprechendem Abstand nach Ende der Gruppensitzungen erfragen.
Außerdem haben wir die Verläufe verschiedener Untertypen der weißen Blutzellen und die Serumkonzentration von Kortisol gemessen. Die weißen Blutzellen sind von besonderem Interesse, weil bestimmte Typen von weißen Blutzellen wie oben bereits erwähnt für die Entzündungen im Zentralnervensystem verantwortlich gemacht werden. Kortisol ist als entzündungshemmendes Hormon, das in viele Regelkreise eingreift, von Bedeutung. Die Auswertung dieser Messungen steht noch aus. Auch die Veränderungen der Immunparameter werden wir in entsprechendem Abstand nach Ende der Therapie nachkontrollieren.
Nachdem die Diagnose einer sicheren Multiplen Sklerose gestellt worden ist, kommt es darauf an, daß der oder die Betroffene lernt, körperlich und seelisch mit der Erkrankung möglichst gut, bewußt und sozial aktiv zu leben.
Dabei hängt die Lebensqualität nicht nur vom Ausmaß der Behinderung, sondern in hohem Maße auch von der psychischen Verarbeitung der Erkrankung und vom Lebensstil ab. Reaktiv-depressive Symptome können durch entsprechende Therapien behandelt werden, der Umgang mit der Erkrankung (das Coping) kann durch Gruppentherapie unter fachkundiger Leitung oft recht schnell und deutlich gebessert werden.
Gruppentherapie als unterstützende Maßnahme sollte für MS-Patienten, die eine solche Therapie wünschen, fester Bestandteil einer umfassenden Versorgung sein.
Dr. Dieter Pöhlau - seit Januar Chefarzt der Sauerlandkliniken in Hachen, davor Oberarzt am St. Josef-Hospital Bochum, Universitätsklinik, weitreichende Tätigkeiten auf dem Gebiet der MS-Forschung
Adresse:
Sauerlandklinik Hachen
Neurologische Klinik für Multiple Sklerose
Siepenstr. 44
59846
Hachen Stadt Sundern
PD Dr. Joachim Kugler - Dozent für Medizinische
Psychologie an der RWTH Aachen und der Ruhr-Universität Bochum
Spezialgebiet u.a. Psychoimmunologie
Adresse:
Institut für
Medizinische Psychologie,
Universitätsklinik der RWTH Aachen
Pauwelsstr. 30
52507 Aachen
Björn Kruse - Medizinstudent im Praktischen
Jahr am St. Josef-Hospital Bochum
Promotionsarbeit und Forschung im
Bereich der Psychoneuroimmunologie bei MS
Adresse:
Westring 37
44787 Bochum
Tel: (02 34) 68 58 03
E-Mail: Bjoern.Kruse@ruhr-uni-bochum.de
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