Stiftung LEBENSNERV,
FORUM PSYCHOSOMATIK 2/98

Was tut sich in der Wissenschaft?

Ein Einblick in die neuere Literatur zum Thema »MS und Psychosomatik«

Einleitung

Übersicht über die vorgestellte Literatur

Ritter, G:
Psychosomatische Aspekte der Multiplen Sklerose. Verlauf und Bewältigung einer chronischen Krankheit. 1984
von Claer, S. u.a.:
Das Arztbild des Multiple-Sklerose-Patienten in der Perspektive der Copingstruktur. 1988
Buechl, S. u.a.:
Die Bedeutung somatischer und psychosozialer Faktoren für die Krankheitsverarbeitung von Multiple-Sklerose-Kranken. 1989
Muthny, F.-A.:
Krankheitsverarbeitung im Vergleich von Herzinfarkt-, Dialyse- und MS-Patienten. 1992
Muthny, F.-A. u.a.:
Psychosoziale Belastungen und »Lebensqualität« bei Patienten mit Multipler Sklerose in der stationären Rehabilitation. 1992
Muthny, F.-A. u.a.:
Laienätiologien und Krankheitsverarbeitung bei schweren körperlichen Erkrankungen. 1992
Dittmann, J. u.a.:
Bewältigungs- und Kompensationsstrategien bei Patienten mit Enzephalomyelitis disseminata (MS) und bei Patienten mit schizophrenen Psychosen. 1992
Katzlberger, E. u.a.:
Krankeitsbewältigung und soziale Unterstützung bei MS-Patienten mit langjährigem Krankheitsverlauf. 1995
Rumpf, H.-J. u.a.:
Copingmuster und Adaptivität bei Multipler Sklerose. 1995

Abschließende Anmerkungen


Einleitung

Im Sommer 1992 erschien die erste Ausgabe unserer Zeitschrift, seinerzeit noch als »Rundbrief«. Darin enthalten war ein »Literaturüberblick« über Publikationen zum Thema »MS und Psychosomatik«. Inzwischen hat die Stiftung selbst bei drei Preisvergaben sechs wissenschaftliche Arbeiten ausgezeichnet, die in der Zeitschrift ausführlich vorgestellt wurden.

Es interessierte uns aber auch, was sich außerhalb der Stiftungsarbeit auf wissenschaftlichem Gebiet tut. Also bot sich ein Gang in die Universität an. Gibt man in die Computer von Universitätsbibliotheken Stichworte aus dem Umfeld von Multipler Sklerose und Psychosomatik ein, so spuckt das Gerät etliche Titel wissenschaftlicher Veröffentlichungen aus. Dank moderner Technik ist es möglich, die bibliographischen Angaben sowie eine Zusammenfassung der jeweiligen Texte auf einer mitgebrachten Diskette abzuspeichern, mitzunehmen und zu Hause auszudrucken.

Von 34 Titeln habe ich ganz subjektiv eine Auswahl von neun Arbeiten getroffen, die mir interessant erscheinen. Im Folgenden werde ich Kurzfassungen der Zusammenfassungen dieser Studien in chronologischer Reihenfolge vorstellen.


Ritter, G:
Psychosomatische Aspekte der Multiplen Sklerose.
Verlauf und Bewältigung einer chronischen Krankheit.
Aktuelle Neurologie 11 (1984) 69-72

Für diese Untersuchung sind die Daten von 144 MS-Betroffenen ausgewertet worden. Bei fast der Hälfte verlief die Krankheit über viele Jahre gutartig. Festgestellt wurde eine zu frühe und zu schematische Berentung. Die Hilfe von außen wurde vor allem für MS-betroffene Frauen als verbesserungswürdig angesehen. Intensiv beschäftigte sich die Studie auch mit Bewältigungsstrategien. Darauf will ich nicht näher eingehen, weil zu diesem Themenkomplex noch neuere Erkenntnisse folgen (s.a. 3.-8.).


von Claer, S., Engelhardt, D., Monyer, H., Warecka, K.:
Das Arztbild des Multiple-Sklerose-Patienten in der Perspektive der Copingstruktur.
Medizin, Mensch, Gesellschaft 13 (2) (1988) 108-116

In dieser Untersuchung wurden 40 MS-Betroffene befragt, um Erkenntnisse über den Einfluss der Diagnose-Mitteilung auf die Krankheitsbewältigung zu gewinnen. Dabei unterstrichen die Betroffenen die Bedeutung einer frühzeitigen und verständnisvollen Diagnose-Mitteilung. Negativ wurde vor allem der autoritäre und bevormundende Arzt beurteilt, während Ärzte gern als Partner gesehen wurden. Besonders wichtig war den Betroffenen das Gefühl, von Ärzten als vollwertiger Mensch gesehen zu werden.


Buechl, S., Buddeberg, C., Sieber, M.:
Die Bedeutung somatischer und psychosozialer Faktoren für die Krankheitsverarbeitung von Multiple-Sklerose-Kranken.
Der Nervenarzt 60 (10) (1989) 641-646

Die Autoren werteten die Fragebögen von 298 MS-Betroffenen aus. Dabei zeigte sich, daß die MS-betroffenen Frauen trotz etwas ausgeprägterer körperlicher Beschwerden ihren psychischen Zustand als besser einschätzten als die befragten Männer. Die Einstellung der Frauen zu ihrer Krankheit war optimistischer und weniger ängstlich und depressiv.
Weiter fanden die Autoren heraus, dass sich frühzeitige Berentung häufig negativ auf das psychische Wohlbefinden der Betroffenen auswirkt. Sie empfehlen deshalb, die Frage der Berentung nicht vorschnell zu entscheiden.


Muthny, F.-A.:
Krankheitsverarbeitung im Vergleich von Herzinfarkt-, Dialyse- (künstliche Niere, Anm. d. Red.) und MS-Patienten.
Zeitschrift für Klinische Psychologie 21 (4) (1992) 372-391

947 PatientInnen mit Herzinfarkt, Nierenversagen und Multipler Sklerose wurden vergleichend mittels Fragebogen zur Krankheitsverarbeitung beforscht. Muthny fand weit mehr und ausgeprägtere diagnose- als geschlechtsbezogene Unterschiede. So zeigten die Herzinfarkt-PatientInnen am seltensten eine depressive Verarbeitung. Den Gegenpol bildeten die MS-PatientInnen, die die höchsten Depressionswerte und die geringste Lebenszufriedenheit aufwiesen.


Muthny, F.-A., Bechtel, M., Kiessling, W.-R., Melbert, G.:
Psychosoziale Belastungen und »Lebensqualität« bei Patienten mit Multipler Sklerose in der stationären Rehabilitation.
Praxis der Klinischen Verhaltensmedizin und Rehabilitation 5 (18) (1992) 159-166

Diesmal untersuchte Muthny mit seinen Kollegen 83 MS-PatientInnen und beschreibt zunächst die körperlichen Symptome. Im psychischen Bereich zeigten über 40 Prozent der Betroffenen eine ausgeprägte Depression. 43 Prozent der untersuchten Personen waren frühzeitig berentet, ganztägig berufstätig waren nur noch 13 Prozent. Von den Betroffenen wurde ein ausgeprägter Bedarf an psychosozialen Angeboten geäußert.


Muthny,F.-A.,Bechtel, M., Spaete, M.:
Laienätiologien und Krankheitsverarbeitung bei schweren körperlichen Erkrankungen.
Psychotherapie, Psychosomatik, Medizinischen Psychologie 42 (2) (1992) 41-53

451 Frauen mit Krebs, Herzinfarkt, Nierenversagen und Multipler Sklerose wurden zur Krankheitsverarbeitung und ihren eigenen Theorien zur Krankheitsentstehung befragt. In jeder Diagnosegruppe dominierte eine andere Theorie: Umweltverschmutzung bei den Krebs-Patientinnen, Alltagsstress bei den Herzinfarkt-Patientinnen, ärztliche Fehler bei den Dialyse-Patientinnen und Vererbung bei den MS-Patientinnen. Auf der Skala zu »depressiver Verstimmung« wiesen die MS-Patientinnen die höchsten, die Herzinfarkt-Patientinnen die niedrigsten Werte auf. Die höchste »Lebenszufriedenheit« hatten die Herzinfarkt- und Krebspatientinnen. Als nützlich zur Krankheitsverarbeitung schätzten Krebs- und MS-Patientinnen vor allem »Kampfgeist« ein.


Dittmann, J., Schüttler, R.:
Bewältigungs- und Kompensationsstrategien bei Patienten mit Enzephalomyelitits disseminata (MS) und bei Patienten mit schizophrenen Psychosen.
Die Rehabilitation 31 (2) (1992) 98-103

Zehn Patienten mit schizophrenen Psychosen wurden hinsichtlich ihrer Bewältigungs- und Kompensationsstrategien mit zehn MS-Patienten verglichen. Die Autoren finden eine »überraschende« Übereinstimmung bei den Patienten beider Gruppen, »die in allen Fällen auch auf psychische Symptome ausgerichtete Bewältigungsstrategien entwickelt hatten«. Daher sollen nach Ansicht der Forscher auch bei MS-Betroffenen wie bei schizophrenen Psychosen die »Kompensationsstrategien durch geeignete Trainingsverfahren aktiviert« werden.


Katzlberger, E., Kropiunigg, U., Soellner, W., Drucker, S., Sonneck, G.:
Krankeitsbewältigung und soziale Unterstützung bei MS-Patienten mit langjährigem Krankheitsverlauf.
Psychologie in der Medizin, 6 (4) (1995) 16-20

53 MS-Betroffene mit einer mittleren Krankheitsdauer von 21 Jahren wurden per Fragebogen zur Krankheitsbewältigung befragt. Die Autoren stellten bei 52 Prozent der Betroffenen eine günstige Krankheitsbewältigung fest. Die erkrankten Männer fühlten sich durch ihr soziales Umfeld besser unterstützt und gaben eine stärkere Akzeptanz der Erkrankung an als die untersuchten Frauen. In dieser Untersuchung gab es keinen Zusammenhang zwischen Krankheitsdauer und Krankheitsbewältigung. Die Autoren schlussfolgern aus ihren Untersuchungsergebnissen, dass die Beachtung psychosozialer Probleme und gegebenenfalls eine psychosoziale Unterstützung für die Krankheitsbewältigung bedeutsam sind.


Rumpf, H.-J., Wessel, K.:
Copingmuster und Adaptivität bei Multipler Sklerose.
Der Nervenarzt 66 (8) (1995) 624-629

210 ambulant betreute MS-Betroffene wurden in die Untersuchung einbezogen. Neben etlichen anderen Ergebnissen fanden die Forscher im Gegensatz zur vorgenannten Untersuchung, dass die zeitlich länger Betroffenen eine konstruktivere Krankheitsbewältigung aufwiesen.


Abschließende Anmerkungen

Für mich war auffällig,

An dieser Stelle sei nochmals auf unsere Literaturliste hingewiesen, die auch über unser Internet-Angebot (siehe Editorial) abrufbar ist.

Si

voriger Artikel ** nächster Artikel
Inhalt von FP 2/98 ** FP-Gesamtübersicht
Startseite