Stiftung LEBENSNERV,
FORUM PSYCHOSOMATIK 2/98

Was bringt das neue Psychotherapeutengesetz?

von Ulrike Dibal-Niedrich

Am 1. Januar 1999 wird nach über 20 Jahren Kontroverse das Psychotherapeutengesetz in Kraft treten. Eine gesetzliche Regelung darüber, wer aufgrund welcher Qualifikation sich Psychotherapeut nennen und unter welchen Bedingungen in diesem Beruf arbeiten und abrechnen darf, war dringend nötig. Umso enttäuschender finde ich das Ergebnis dieser Bemühungen, das geprägt ist von unsinniger Einengung, Ausgrenzung und Streichung im Dienste einer kassenärztlichen Interessendominanz.

Als wesentliche Fortschritte des Gesetzes werden genannt:

Die bisherige Abhängigkeit der Psychologischen Psychotherapeuten von den Weisungen Therapien verschreibender und bescheinigender Ärzte ist per Gesetz aufgehoben. Das bedeutet für die Versicherten, daß sie jetzt eine Therapie bei einem Psychologischen Psychotherapeuten beginnen können, ohne vorher einen Arzt konsultieren zu müssen oder die Genehmigung ihrer Kasse einzuholen. Auch wird ihnen die freieWahl ihrer Therapeuten zugesichert.

Die Gleichstellung der Psychologischen Psychotherapeuten mit ihren ärztlichen Kollegen wird hoffnungsvoll als ein anfänglicher Erfolg der Bemühungen gesehen, die die Gleichstellung von psychisch und körperlich erkrankten Personen anstreben.

Der Titel Psychologische Psychotherapeuten ist künftig geschützt durch einheitlich festgelegte Ausbildungskriterien, die vorgeben, für Qualität zu sorgen.

Die Einordnung der Psychologischen Psychotherapeuten in das System der kassenärztlichen Bundesvereinigung ist zweischneidig, und damit sind wir bei den wesentlichen Mängeln angelangt: Bisher haben nicht-ärztliche Psychotherapeuten in einer Grauzone ihre Leistungen in der Kostenerstattung vergütet bekommen, das heißt, einige wenige Kassen haben diese Therapien bezahlt. Jetzt müssen ärztliche und psychologische Psychotherapeuten sich einen gemeinsamen Honorartopf für Psychotherapien teilen, das heißt, beide Berufsgruppen konkurrieren miteinander - und nicht nur ums Geld. Generell lässt sich eine Interessendominanz der Ärzteschaft im Rahmen der Gesetzgebung feststellen, deren Ziel es ist, möglichst viele Psychologische Psychotherapeuten auszuschließen. Völlig unnötige Nachqualifikationshürden für die Psychologen sind so hoch angesetzt, daß erfahrene und langjährig praktizierende Therapeuten benachteiligt bis ausgeschlossen werden. Daran zeigt sich, dass das Gesetz von einer wirklichen Gleichstellung weit entfernt ist.

Diskriminierend finde ich auch, dass außer Psychologen und Ärzten keine anderen Berufsgruppen mehr den Titel Psychotherapeut tragen dürfen, auch wenn sie eine langjährige Therapieausbildung absolviert haben. Was ist zum Beispiel mit den zahlreichen Sozialpädagogen, die bisher besonders im Rahmen sozialer Projekte und Beratungsstellen wertvolle therapeutische Arbeit geleistet haben?

Schließlich noch zwei gravierende Mängel, die zum Nachteil der Patienten sind: Psychotherapeutische Leistungen werden den Versicherten in Zukunft eine Eigenbeteiligung von 10 Mark pro Sitzung abverlangen (Kinder, Jugendliche und Versicherte mit geringem Einkommen ausgenommen). Zum anderen ist das Spektrum der zugelassenen Therapiemethoden auf zwei Richtlinienverfahren, nämlich Verhaltenstherapie und tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie reduziert worden. Mit dieser Verengung ist ein breites, hochwertiges und seit vielen Jahren erfolgreich praktiziertes Therapieangebot von der Regelung ausgeschlossen. Kreative und innovative Verfahren wie die Gestalttherapie, Psychodrama, Körpertherapien, Familientherapie, werden zum privaten Luxus und stehen nicht mehr zur Verfügung für die Wahl einer geeigneten Methode, die nötig wäre, um eine Störung angemessen zu behandeln oder um die Persönlichkeit eines Patienten besonders zu berücksichtigen.

Als Psychologin und Gestalttherapeutin gelingt es mir nicht, dieses Gesetz wohlwollend zu begrüßen, wenn ich im Kreise meiner Kollegen mitbekomme, wie wir uns trotz langjähriger qualifizierter Therapieausbildungen (die im übrigen um einiges länger sind als die unserer ärztlichen Kollegen) und therapeutischer Praxis für viel Geld nachbilden müssen, weil man beschlossen hat, dass unsere Ausbildungen und unsere Arbeit nicht hinreichend sind.

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