Stiftung LEBENSNERV,
FORUM PSYCHOSOMATIK 2/07
Was daraus wurde

Der Perspektivenwechsel wurde zunächst durch die Betroffenen selbst, durch ihre FreundInnen und Angehörigen, durch die nicht betroffenen Fachkräfte im Behindertenbereich und schließlich durch die PolitikerInnen vollzogen, so dass sich das Bild von Behinderung weltweit allmählich änderte: Während vorher das medizinische Modell von Behinderung vorherrschte, setzte sich allmählich die soziale Sichtweise von Behinderung durch. Nach dem medizinischen Modell ist eine Behinderung ein individuelles Defizit, bedingt durch die jeweilige köperliche, geistige oder seelische Beeinträchtigung. Das soziale Modell von Behinderung wird sehr gut verdeutlicht durch den Spruch der Aktion Grundgesetz: „Man ist nicht behindert, man wird behindert“. Nach der sozialen Sichtweise von Behinderung liegt das Problem nicht in dem einzelnen behinderten Menschen, sondern in den gesellschaftlichen Bedingungen, die eine gleichberechtigte Teilhabe verhindern. Behinderungen sind demnach Stufen für rollstuhlfahrende Menschen, fehlende Gebärdensprachdolmetschung oder fehlende Leitsysteme für sinnesbehinderte Menschen oder schwere Sprache für Menschen mit Lernschwierigkeiten.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat mit ihrer neuen Definition von Behinderung von 2001 dem veränderten Bild von Behinderung Rechnung getragen. Nach der „International Classification of Functioning, Disability and Health – ICF wird Behinderung beschrieben als Wechselwirkung zwischen der (körperlichen) Funktionsfähigkeit auf der einen Seite, einer Aktivität (Durchführung einer Aufgabe) und der Partizipation (Teilhabe am Leben in der Gesellschaft) auf der anderen Seite. Von deutscher Seite war an der Erarbeitung dieser Definition unter anderem Michael F. Schuntermann vom Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR) beteiligt, der die ICF so ausdrückt: „Behinderung ist das Ergebnis einer negativen Wechselwirkung zwischen einer Person mit Gesundheitsproblemen und ihren Kontextfaktoren“.

Als Ergebnisse des Perspektivenwechsels im Behindertenbereich können gesehen werden:
• die Grundgesetzergänzung von 1994 um den Satz „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“;
• das Sozialgesetzbuch IX (SGB IX) von 2001, das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) des Bundes von 2002 und die Ländergleichstellungsgesetze;
• die UN-Konvention über die Rechte behinderter Menschen, die von der UN-Generalversammlung im Dezember 2006 verabschiedet wurde;
• eine Zunahme echter Selbstvertretung behinderter Menschen.


erster Teil ** nächster Teil
FP-Gesamtübersicht
Startseite