Stiftung LEBENSNERV,
FORUM PSYCHOSOMATIK 2/07

„Wenn ich mit ihnen zusammen bin,
fühle ich mich kränker“.


Das erlebte Stigma der Multiple Sklerose in sozialen Beziehungen

In der letzten Ausgabe von FORUM PSYCHOSOSMATIK (FP 1/2007, S. 14 –21) veröffentlichten wir Auszüge aus der Arbeit von Grytten/Maseide: „Was man ausdrückt, ist nicht immer das, was man fühlt“ – Umgang mit Stigma und der Verkörperung von wahrgenommenem Makel bei Multipler Sklerose“, in dem die individuellen Coping-Strategien von Menschen mit MS beleuchtet wurden. Eine weitere Veröffentlichung aus dem Jahr 2006, die auf der gleichen Gruppe von eilnehmerinnen beruht, befasst sich mit der Erlebnis des Stigmas „MS“ in sozialen Beziehungen.

Die AutorInnen sind Nina Grytten und Per Maseide. Nina Grytten arbeitet am Nationalen Multiple Sklerose ompetenzzentrum in der Haukeland Universitätsklinik in Bergen und Per Maseide ist Sozialwissenschaftler an der Universität Bodö. Die Zusammenfassung des Artikels aus „Chronic Illness“ (2/2006) wurde übersetzt von H.- Günter Heiden.

Zusammenfassung

Gegenstand:

In der Studie wurde das Stigma untersucht, das Menschen mit MS in sozialen Beziehungen erleben. Es werden verschiedene Prozesse von Stigma und der Bewältigung beschrieben, wie sie in sozialen Beziehungen vorkommen. Ein Dilemma, das in Familien (die bei der Bewältigung eigentlich hilfreich sein sollten) vorkommen kann, wird thematisiert: Anstatt unterstützend zu wirken, können nahe Personen auch Probleme und Konflikte erzeugen.

Methode:

Vierzehn TeilnehmerInnen (TN), davon acht mit MS und sechs Verwandte im Alter zwischen 33 und 60 Jahren nahmen an der Studie teil (Durchschnittsalter 51 Jahre). Drei der Verwandten waren Mütter, zwei waren Ehefrauen und einer war Ehemann. Die TN wurden in unstrukturierten Interviews befragt, die Interviews wurden niedergeschrieben und ausgewertet.

Ergebnisse:

Die TN berichteten, entweder mit ihrer MS ignoriert zu werden oder – im Gegenteil – dass dieMS in der direkten Begegnung überbetont wurde. Obgleich die Gegenüber versuchten, taktvoll zu agieren, wurden diese Akte von Menschen mit MS als deutlich stigmatisierend erlebt.

Diskussion:

Menschen mit MS erfahren, dass ihre körperliche Ausdrucksweise in zwischenmenschlichen Beziehungen bewertet wird. Ignoriert zu werden oder zu erleben, dass die MS eine überdeutliche Rolle spielt, belegt das Dilemma, mit dem Stigma „MS“ in sozialen Beziehungen umzugehen. Konsequenterweise fühlen sich Menschen mit MS in solchen Situationen „kränker“ als sie eigentlich (aus rein medizinischer Sicht) sind.




Literatur:
Grytten,N., Maseide, P.:
„What is expressed is not always what is felt“. Coping with stigma and the embodiment of perceived illegitimacy of multiple sclerosis.
Chronic Illn. (2005) 1, 231-243

Grytten,N., Maseide, P.:
„When I am together with them, I feel more ill“. The stigma of multiple sclerosis experienced in social relationships.
Chronic Illn. (2006) 2,195-208

Kontakt:
nina.grytten@helse-bergen.no



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