Stiftung LEBENSNERV,
FORUM PSYCHOSOMATIK 2/09

Grußwort

der Beauftragten der Bundesregierung für die Belange
behinderter Menschen, Karin Evers-Meyer,
anlässlich der Veranstaltung „Empowerment jetzt!“


Sehr geehrte Damen und Herren,

herzlich willkommen im Kleisthaus und herzlich willkommen zur Veranstaltung „Empowerment jetzt!“ Gern hätte ich Sie heute persönlich begrüßt – mein Terminkalender ließ dies aber leider nicht zu. Umso mehr freue ich mich aber, auf diesem Wege einige Gedanken zu Ihrer Veranstaltung beitragen zu können.

Seit dem 26. März 2009 ist die UN-Behindertenrechtskonvention für Deutschland verbindlich. Für 10 Millionen behinderte Menschen in Deutschland werden hier die Menschenrechte manifestiert. Die Vertragsstaaten verpflichten sich, die Rahmenbedingungen für Teilhabe und Selbstbestimmung behinderter Menschen zu schaffen. Der Paradigmenwechsel in der Behindertenpolitik, der sich in Deutschland in den vergangenen 10 Jahren vollzogen hat, wird durch die Konvention befördert und gewinnt erneut an Aktualität.

Die UN-Konvention wurde ebenfalls wie die bereits bestehenden deutschen behindertenpolitischen Gesetze maßgeblich von behinderten Menschen selbst gestaltet. Sie selbst haben ein Umdenken eingefordert, wollten weg vom System der Fürsorge, hin zu Selbstbestimmung und Teilhabe; weg vom defizitorientierten, hin zum potenzialorientierten Ansatz. Ohne selbstbewusste behinderte Menschen, die sich nicht gescheut haben, lautstark ihre Meinung kundzutun, wären wir heute nicht so weit.

Wir stehen jetzt vor der Herausforderung, die Forderungen der UN-Konvention in Deutschland umzusetzen. Auch hier sind wir – vielleicht mehr denn je – auf die Kompetenz der Expertinnen und Experten in eigener Sache angewiesen. Denn: Kein Mensch ohne Behinderung kann so qualifiziert einschätzen, an welchen Stellen es noch Probleme gibt, wo Handlungsbedarf besteht und vor allem wie Lösungen ausgestaltet sein müssen.

Wo müssen bestehende Gesetze nachgebessert oder verschärft werden, wo braucht es neue Gesetze, wo nur eine konsequentere Umsetzung bereits bestehender? Diese Fragen können am qualifiziertesten von behinderten Menschen selbst beantwortet werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die bereits errungenen Erfolge zeigen ebenso wie die noch bestehenden Herausforderungen, dass behinderte Menschen Einfluss haben. Dies gilt im großen politischen Bereich ebenso wie im kleineren privaten. Mit einem selbstbewussten Auftreten und einer Vorstellung vom Ziel lässt sich in vielen Fällen ein Weg finden, den man sich zu Anfang vielleicht gar nicht vorstellen konnte. Das Vorliegen einer Behinderung oder einer chronischen Erkrankung ist kein Grund, sich nicht mehr zu Wort zu melden, weil man befürchtet, nicht ernst genommen zu werden oder zu scheitern. Sich Herausforderungen zu stellen und sie meistern zu können, – trotz bestehender Einschränkungen – ist eine positive Erfahrung aus der man Kraft und Selbstbewusstsein schöpfen kann.

Das Empowerment-Training der Stiftung Lebensnerv setzt genau an dieser Stelle an und genau deshalb halte ich das Projekt auch für so vorbildlich und zukunftsweisend. Selbstbewusste Menschen mit Behinderung leben vor, wie es gehen kann, gestärkte Teilnehmerinnen und Teilnehmer gehen daraus hervor. Solche starken behinderten Menschen brauchen wir. Menschen, die bereit sind, ihre Recht auch mal vehement einzufordern und auch vor einer Klage nicht zurückschrecken. Menschen, die selbstbewusst demonstrieren, dass ein Leben mit Behinderung ein lebenswertes Leben ist. Das ist meines Erachtens der beste Beitrag, den jede und jeder einzelne auf dem Weg zu einer inklusiven Gesellschaft leisten kann.

Ich würde mich freuen, wenn Ihr Projekt viele Nachahmer fände und viele Menschen mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen ein solches Training erfahren könnten. Ich wünsche Ihnen heute hier im Kleisthaus eine spannende Tagung und interessante Gespräche.

Sollten Sie irgendwann einmal meine Unterstützung benötigen, zögern Sie nicht, sich an mich zu wenden!

Mit herzlichen Grüßen
Karin Evers-Meyer

Beauftragte der Bundesregierung
für die Belange behinderter Menschen



voriger Artikel ** nächster Artikel
FP-Gesamtübersicht
Startseite