Stiftung LEBENSNERV,
FORUM PSYCHOSOMATIK 2/09



Beim Unterrichten seiner MitarbeiterInnen und SchülerInnen betonte Erickson die Wichtigkeit, die PatientInnen zu beobachten. Dieser Prozess des genauen Beobachtens war eine lebenslange Praxis, die ihm besonders geholfen hat, als er allmählich den Gebrauch seiner Gliedmaßen und seiner Feinmotorik zurückgewann, nachdem er im Alter von 17 Jahren ein Opfer von Kinderlähmung geworden war. Er wurde in seiner Rückschau und im Erinnern von Gewichtsverlagerung unterstützt, indem er seiner kleinen Schwester beim Laufen-Lernen zuschaute. Er experimentierte mit seinem eigenen Körper und lernte die Muskelfunktionen durch Beobachtung und mithilfe des Gedächtnisses der Muskeln wieder neu.

Wenn wir neurologisch beeinträchtigten SchülerInnen beibringen, Bewegungen zu koordinieren, zeigen wir Gewichtsverlagerunen und Bewegungen, die alle Teile des Körpers in einer synchronisierten Zusammenarbeit mit einbeziehen. So können die Lernenden, nachdem sie sorgfältig beobachtet, nachgemacht und wiederholt haben und nachdem sie die Bewegungen im Einklang in einem langsamen Rhythmus ausgeführt haben, ihr Gleichgewicht, ihre Koordination und ihre Empfindungsfähigkeit verbessern.

Erickson benutzte Bilder und Konzepte aus der Natur, um die Lektion des Lebens zu lehren: Der ständige Wandel und die Lebenszyklen der Jahreszeiten, der Pflanzen, der Tiere; die Beziehung der Erde, des Mondes, der Sterne. Er benutzte die Natur und die natürliche Entwicklung als Beispiele, um komplexe psychophysiologische Zusammenhänge und Beziehungen auf eine einfache, leicht verständliche Weise zu erklären.

Oft können Beispiele, Geschichten und Visualisierungen helfen, das Wesen eines Geschehnisses einzufangen, indem sie die Gefühle, die Emotionen und die vergangenen Erfahrungen sowie den Intellekt benutzen. Indem wir Beispiele, Geschichten und Visualisierungen benutzen, können wir eine Erfahrung neu bewerten und können eine versteckte Tiefe und Bedeutung aufdecken, was diese Erfahrung sehr bereichert. Als unser wichtigstes Beispiel dieser Neubewertung (reframing im Original, d. Üb.) lehrtWarriorHeart, dass jede Person, die einer chronischen Krankheit gegenübersteht, aufgerufen ist, die Reise eines Helden anzutreten.

Das gemeinsame Element solcher Reisen ist, dass eine normale Person aufgerufen ist, eine sehr schwierige Aufgabe zu erfüllen, eine Aufgabe, die für sie große Konsequenzen hat. Sie reist alleine auf einem unbekannten Pfad zu einer unbekannten Gefahr, dorthin, wo der Wald am dunkelsten ist. Diese Person hat niemanden, der ihr den Weg zeigt, sondern nur die Reinheit ihrer Bestimmung und Absicht als ihre innere Führung. Der Prozess, diese Reise trotz Erschöpfung, Hunger, Gefahr und Angst fortzusetzen, formt den Charakter dieser Person, bis sie zum Helden wird. Es ist dieser Prozess des Weitergehens, Schritt für Schritt das Ziel verfolgend, anstatt aufzugeben, der den Helden erschafft. Wenn chronische Krankheit auf diese Weise angegangen wird, entsteht großartiges Empowerment.

Ein zweites Beispiel von reframing verbirgt sich in der folgenden Geschichte, die die Essenz des Umgangs mit MS veranschaulicht. Eine Auster, die an einer Felswand am Meer hing, öffnete und schloss ihre Schale zur Nahrungsaufnahme, indem sie so Nährstoffe aus dem Meereswasser filterte. Eines Tages war die See ungewöhnlich turbulent, und während die Auster aß, verfing sich ein Sandkorn unter ihrem sehr weichen und delikaten Körper. Das Sandkorn hatte scharfe und spitze Kanten. Für die Auster war dies sehr unbequem. So tat sie, was alle Austern in diesem Fall tun würden: sie versuchte, das Sandkorn herauszubekommen. Sie versuchte das auf alle ihr bekannten Arten und Weisen. Schließlich, nach vielen Versuchen, das Sandkorn loszuwerden, beschloss sie, alles was ihr möglich war, über das Sandkorn herauszufinden. Sie fing an, die Form des Sandkorns zu erfühlen, welche Stellen scharf waren. Sie fing an, das Sandkorn herumzubewegen, um zu versuchen, eine bequemere Lage zu finden.Während die Auster so das Sandkorn entdeckte und untersuchte, hinterließ sie auf der Oberfläche des Sandkorns eine sehr dünne Schicht ihres eigenen Schleims. Tag für Tag bewegte die Auster das Sandkorn herum und bedeckte es immer weiter mit sehr dünnen Schichten von Schleim. Nach vielen Tagen und Monaten begann die Auster zu bemerken, dass das Sandkorn nicht mehr schmerzte. Nach einer noch viel längeren Zeit, wurde das Sandkorn, das einst ein Störenfried war, eine Perle.

Solch plötzliche Einsichten und Empowerment gehören zu den höchsten Erfahrungen des Lebens. Sie zu erreichen, wie auch immer, geht nur langsam, methodisch, durch tägliche Übung: die kleinsten Details des Lebens sind wahrzunehmen und zu achten, die natürliche Ebbe und Flut des Atmens, der Rhythmus, mit dem eine Jahreszeit nahtlos in die nächste übergeht, die Wärme, die entsteht, wenn Spannung geht und Entspannung kommt, während wir das WarriorHeart-Programm ausüben: Meditation, Dehnungsübungen, gezielte Bewegungen und Tai Chi.




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