Stiftung LEBENSNERV, FORUM PSYCHOSOMATIK 2/09 |
Die Stiftung LEBENSNERV hat mit der Untersuchung des Beratungs- und Unterstützungsbedarfs behinderter und/oder chronisch kranker Menschen beziehungsweise Menschen mit Multipler Sklerose und Migrationshintergrund begonnen. Die Untersuchung erfolgte in den Jahren 2008/2009 in Form von zwei (unterschiedlich angelegten) Studien, die vom BM Gesundheit beziehungsweise vom AOK-Bundesverband finanziell unterstützt wurden. Nun liegen die Ergebnisse der beiden Studien vor.
Studie 1:Die AOK-geförderte Studie untersuchte die Erwartungen von Menschen mit Migrationshintergrund, die an Multipler Sklerose erkrankt sind. Sie ging von der Annahme aus, dass ein interkulturell ausgerichtetes Beratungszentrum hilfreich sein könnte und fragte vor allem, welche Erwartungen MS-Betroffene mit Migrationshintergrund an ein solches Zentrum haben und wie ein solches Zentrum vom Konzept her angelegt sein müsste.
Bei ihren Ausführungen unterstreichen die AutorInnen, dass Menschen mit MS und Migrationshintergrund bislang häufig „unsichtbar“ bleiben, da keine genauen Zahlen vorliegen und sie nirgendwo als Gegenstand der Forschung oder der Versorgungssituation auftauchen. Aus der Studie lassen sich nach Auffassung der AutorInnen drei unterschiedliche Empfehlungsbereiche herleiten: In der Hauptsache geht es dabei um die Empfehlungen zu einem gesundheitsbezogenen, interkulturellen Beratungszentrum, da dies ja der Schwerpunkt der Studie war. Aus den Ergebnissen der vorliegenden Fachliteratur und der Befragung zur Versorgungssituation lassen sich jedoch noch Empfehlungen zu zwei weiteren Bereichen ableiten, da nach Ansicht der AutorInnen hier ein hoher Handlungsbedarf, vor allem unter dem Aspekt der „Sichtbarmachung“ von Menschen mit MS und Migrationshintergrund besteht: Das sind die Bereiche „Aufklärung – Bewusstseinsbildung“ und „Forschung“.
Bereich A: Angebotsverbesserung durch ein Beratungszentrum
1. Prüfung von Kooperation der Stiftung LEBENSNERV mit einem bestehenden
interkulturellen Zentrum, wobei Letzteres eine barrierefreie
Infrastruktur aufweisen muss.
2. Modellhaftes Angebot von niedrigschwelligen Aktivitäten
(etwa Informationsfrühstücke, Yoga, Kochen, Tanzen, etc.).
3. Kultur-, differenz- und gendersensible Angebote in unterschiedlichen
Sprachen.
4. Angebot von allgemeiner Beratung (Behindertenausweis, Hilfsmittelversorgung,
deutsches Sozialrecht, etc.).
5. Angebot von Erfahrungsaustausch, selbstorganisierten Gruppen von
Personen mit MS mit und ohne Migrationshintergrund.
6. Beratung und Anleitung durch Tandem-Teams aus einer selbst
betroffenen Person mit MS und Migrationshintergrund und einer/m
nicht betroffener/m NeurologIn mit Migrationshintergrund.
7. Erstellung von bildhaften Informationsmaterialien (Broschüren,
Videos, etc.) in leicht verständlicher Fassung und in unterschiedlichen
Sprachen.
1. Sichtbarmachung I – Interkulturelle Öffnung der „MS-Szene“ sowohl
mit „top down“, als auch „bottom up“-Strategien1.
2. „Sichtbarmachung II“ – Aufklärung über Multiple Sklerose bei den
MigrantInnen-Communities und in den interkulturellen Zentren (Kampagnen,
Vorträge, Infomaterialien).
3. Angebot von Empowermentkursen für MS-betroffene Frauen und
Männer mit Migrationshintergrund.
4. Schulung von MS-betroffenen Frauen und Männern mit Migrationshintergrund
zu BeraterInnen (Peer-Counseling-Konzept).
5. Übersetzung der Seiten unter www.msif.org (Internationale MS-Gesellschaft)
auch auf Türkisch und Serbokroatisch.
6. Ergänzung des rein medizinischen Modells von MS durch „culturebased-
medicine“ und durch das neue, menschenrechtlich geprägte
Verständnis im Sinne der neuen UN-Behindertenrechtskonvention.
1. „Sichtbarmachung III“ – Verdeutlichung des Themas „Migrationshintergrund und MS“ für die MS-Forschung
2. Erstellung von Studien zur zahlenmäßigen Dimension von Menschen
mit MS und Migrationshintergrund in Berlin / in Deutschland
3. Erstellung von Studien zur Lebens- und Versorgungssituation von
Menschen mit MS und Migrationshintergrund unter Einbezug der
Genderdimension
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