FORUM PSYCHOSOMATIKZeitschrift für Psychosomatische MS-Forschung, 20. Jahrgang, 1. Halbjahr 2010 |
In der Ausgabe 2/2008 haben wir den Titel „Mein Dämon ist ein Stubenhocker“ von Maximilian Dorner vorgestellt. Nun liegt sein neuer Band „Ich schäme mich. Ein Selbstversuch“ vor, den Dorner bei einer Lesung im Deutschen Institut für Menschenrechte in Berlin vorstellte. Im vollbesetzten Raum erläuterte der Autor zur Entstehung des Buches, dass im Stubenhocker- Buch zwei Seiten von Scham handelten, mit denen er nicht so ganz zufrieden war. Folglich musste er 186 neue Seiten schreiben mit der zentralen Botschaft: Jeder Mensch hat Scham, wichtig ist es aber, diese nicht zu verstecken, sondern zum Thema zu machen. Die Standardreaktion der Umwelt, die in dem Satz gipfelt: „du brauchst dich nicht zu schämen!“ verkenne, so Dorner, dass man ein vorhandenes Gefühl nicht einfach hinwegleugnen könne. Er empfiehlt: „Da hilft nur zurückzuglotzen, damit die Schambilanz ausgeglichen ist!“
Scham, so Dorner, entstehe erst
durch Interaktion, die Begegnung
mit anderen, durch Blicke, Reaktionen,
durch Objektisierung. Allein,
auf einer einsamen Insel, würden
viele Anlässe für die Entwicklung
von Scham entfallen. Doch da Dorner
nicht auf einer Insel lebt, hat er
viele Episoden und Situationen aus
dem Alltag zusammengetragen –
nicht nur aus dem Bereich der eigenen
Behinderung. Und wenn
man sich nun fragt, ob man wirklich
knappe 200 Seiten über
Scham schreiben kann, so meine
ich, man kann – oder genauer gesagt:
Dorner kann!
HGH
Der Autor des neuen Ratgebers ist Arzt für Allgemeinmedizin, Akupunktur und Arbeitsmedizin. Der Österreicher lebt selbst schon lange mit der Diagnose Multiple Sklerose (MS) und ist seit 2002 berufsunfähig. Georgieff hält seit Jahren Vorträge und Kurse für Koreanische Handmassage und hat Bücher dazu veröffentlicht.
In seinem Ratgeber erläutert Georgieff die medizinischen Grundlagen der MS wie Entstehung, Verlauf, Diagnosestellung in verständlicher Form. Er beschreibt die möglichen Symptome und gibt Tipps, was die Betroffenen (und Angehörigen) selbst dazu beitragen können, Symptome zu lindern oder gar Schübe zu vermeiden. Dabei fließen viele seiner eigenen Erfahrungen ein.
Der Autor beschreibt die üblichen Therapieverfahren wie Immunmodulation und Immunsuppression und gibt „weitere sinnvolle Ratschläge“. Darunter finden sich ausführliche Erklärungen zur koreanischen Handmassage, Kapitel zur Akupunktur, zur Physiotherapie, zur Ernährung, zu verschiedenen Massagen und einiges mehr. Was aus meiner Sicht fehlt, ist die Einbeziehung psychischer Faktoren, die fast nur im Rahmen von psychischen Störungen und Depressionen thematisiert werden. Auch wenn Georgieff ein bekennender Schulmediziner ist oder gerade deswegen, gehören mehr als knappe zwei Seiten zu diesem Thema in einen neuen Ratgeber.
Georgieff stellt die These auf, dass Amalgam und Quecksilber für die MS mitverantwortlich seien. Angenehm ist, dass er seine Vermutungen als solche deklariert und nicht als unumstößliche Tatsachen. Ähnlich verfährt er mit seinem Verdacht, dass eine Impfung einen größeren Schub bei ihm ausgelöst habe. Er betont immer wieder, dass seine Erfahrungen auf ihn zutreffen und nicht zwangsläufig auf andere MS-Betroffene. Diese differenzierte Betrachtungsweise hat mir gefallen. Zu dieser Zurückhaltung und Bescheidenheit passen die letzten Sätze des Buches: „Ich wollte einen kleinen Mosaikstein zum Verständnis und zur Behandlung der Multiplen Sklerose hinzufügen. Tempus ferit iudicum (Die Zeit trifft das Urteil).“
Weniger bescheiden wirkt der Autor, wenn er das Kapitel „Impfung gegen MS“ mit folgenden Worten beendet: „Ich sehe mir in der ersten Reihe fußfrei weiter aufmerksam die Dinge an und werde Sie informieren.“ Muss ich jetzt darauf warten, von Georgieff (vermutlich über seine Website) informiert zu werden?, frage ich mich. Zur Bescheidenheit passt auch nicht, dass allein im Inhaltsverzeichnis drei Methoden mit dem Zusatz „nach Georgieff“ gekennzeichnet sind. Wenn der Autor von seiner Frau wiederholt als von „meiner weitaus besseren Hälfte“ spricht, hat das vermutlich weniger mit Bescheidenheit als vielmehr mit typisch österreichischem Humor zu tun, der sich mir noch nicht erschlossen hat.
Der Ratgeber enthält viele Informationen
auf einem aktuellen
Stand. Er wird abgerundet durch
viele Links und Quellenangaben,
die Erläuterung von Fachbegriffen
und ein ausführliches Stichwortverzeichnis.
Wen die oben beschriebenen
Schwächen und Widersprüche
nicht schrecken, für den oder
die ist Georgieffs Werk sicherlich
ein nützlicher Ratgeber für ein Leben
mit MS.
Si
Weihe legt nun im Abstand von
drei Jahren die 5. aktualisierte Fassung
seiner Einführung vor. Neu
bearbeitet wurde vor allem das
Kapitel zu den MS-Medikamenten,
wobei Weihe sich zu Rituximab
äußert und zu den Entwicklungen
einer „MS-Pille“ Stellung nimmt,
die ein Spritzen überflüssig machen
sollen.
HGH
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