FORUM PSYCHOSOMATIK

Zeitschrift für Psychosomatische MS-Forschung, 22. Jahrgang, 1. Halbjahr 2012

Thesenpapier:

Die Zukunft der Psychosomatik?

Stefan Zipfel

Drei Perspektiven bestimmen die Zukunft der „Leib-Seele-Medizin“:
1. Die Krankenversorgung:

Wir haben kein ideales, aber ein sehr gutes Versorgungssystem für Menschen mit psychischen Beschwerden, wie aktuelle Gutachten und eigene Studien zeigen. Eines der Hauptprobleme stellen die Übergänge (z.B. stationäre Versorgung – ambulante Versorgung) dar. Besonders an diesen Übergängen werden zu viele Ressourcen „verbrannt“. Eine Antwort auf diese Situation könnte in der Einrichtung von regionalen und überregionalen Kompetenzzentren für komplexe, schwierige und teure Erkrankungen (wie z.B. Essstörungen) liegen. Diese Kompetenzzentren sollten dann in lokale Versorgungsnetze eingebunden werden.

2. Die Nachwuchssituation in der Psychosomatischen Medizin und Psychotherapie:

Eine Reihe von Untersuchungen zeigt, dass a) die Empathiefähigkeit während des Medizinstudiums mit steigender Beschäftigung mit biomedizinischen Inhalten nachlässt und b) dass sich zwar insgesamt ein Nachwuchsproblem in der gesamten medizinischen Versorgung auftut, aber dass insbesondere die „Psychfächer“ ein zunehmendes Nachwuchsproblem bekommen. Dies obwohl aktuelle Auswertungen der Nachwuchssituation (Studie der ETH Zürich im Auftrag der Ärztekammern) der Psychosomatischen Medizin und Psychotherapie insgesamt gute Noten in ihrer Weiterbildung ausstellen. Eine zukünftige Herausforderung ist somit a) dieStudierenden durch Anpassungen der Curricula von Beginn bis zum Ende ihres Studiums für die „Kunst des Heilens“ auszubilden und anzuleiten, hierzu gehören als Kernkompetenzen psychosoziale und kommunikative Fähigkeiten und b) junge Ärztinnen und Ärzte für die ärztliche Kunst der Psychotherapie und psychosomatischen Therapie zu begeistern. Dies verlangt Reformen nicht nur im Bereich der Ausbildung, sondern auch der Weiterbildung.

3. Die Forschung in der Psychosomatischen Medizin und Psychotherapie

Innovationen für relevante gesundheitsbezogene Probleme entwickeln sich häufig an den Rändern der Disziplinen. Hier übernimmt die Psychosomatische Medizin durch ihren inter- und transdisziplinären Ansatz eine wichtige Rolle – leider geht der forschungspolitische Mainstream (u.a. auch in der Deutschen Forschungsgemeinschaft – DFG) in eine andere Richtung. Die großen Forschungsförderer fokussieren ihre Unterstützung auf sehr umschriebene Forschungsfelder (s. u.a. die Neurowissenschaften). In dieser Forschungslandschaft werden ausschließlich Spezialisten für sehr umschriebene Teilfragestellungen gefördert.





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