Stiftung LEBENSNERV,
FORUM PSYCHOSOMATIK 2/97

Teil 3 (letzter Teil): "Das Psychotherapeutengesetz - Stationen eines Dauerbrenners" von Frank Roland Deister

Kompromiß in Sicht?

In dieser Situation überraschte der Gesundheitsminister alle Fachleute mit einer erneuten Gesetzesinitiative und holte die Verbände der Erstattungspsychologen in der AGPT (Arbeitsgemeinschaft Psychotherapie), die Verbände der Richtlinientherapeuten in der AGR (unter Federführung der Vereinigung der Kassenpsychotherapeuten, der Deutschen Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychosomatik und Tiefenpsychologe DGPT und des Bundesverbandes der Vertragspsychotherapeuten BVVP), die Ärzteverbände, die Kassen und die KBV wieder an den Beratungstisch. Diese Gruppen einigten sich diesmal in zähem Ringen im umstrittenen sozialrechtlichen Teil auf das bereits entwickelte Integrationsmodell und entsprechende Übergangsrichtlinien für Nicht-Richtlinientherapeuten. Konkret sieht die geplante Kompromißregelung nunmehr so aus, daß die psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten berufsrechtlich geschützt (Approbation) und sozialrechtlich in das KV-System gleichberechtigt integriert werden sollen (Konsiliarverfahren statt Delegationsverfahren), mit voller KV-Mitgliedschaft, paritätischer Mitbestimmung in Fachgremien und angemessener Berücksichtigung in der Bedarfsplanung. Bereits zugelassene Delegations-Psychologen sollen gleich übernommen werden, bisherige Erstattungspsychologen sollen aufgrund von bereits detailliert ausgearbeiteten Übergangsregelungen – je nach ihrer bisherigen Qualifikation in Richtlinienverfahren – entweder gleich oder nach entsprechender Nachqualifizierung übernommen werden.

Das Gesetz soll noch im Juni auf den Weg gebracht werden* und könnte damit eigentlich beschlossen werden – wenn nicht der Bundesgesundheitsminister weiter auf einer Zuzahlung der Patienten von 10 bis 25 Prozent bestehen würde, obwohl alle Fachverbände und seit neuestem auch die Krankenkassen gegen diesen patientenabschreckenden Fremdkörper im Gesundheitssystem votieren! Da natürlich auch der Minister weiß, daß die SPD sich ebenfalls und wiederholt sträuben wird, diese Bresche in das soziale Netz schlagen zu lassen, plant er nach wie vor, es zu splitten und mit einem unanstößigen, zustimmungspflichtigen Teil durch den Bundesrat zu bringen, und danach einen nicht zustimmungspflichtigen Teil, der die Zuzahlung regelt, in den Bundestag einzubringen, wobei dann Koalitionsmehrheit genügen würde. Ob sich die SPD so austricksen läßt, ist – da diese Absicht ein offenes Geheimnis ist, das die Spatzen von den Dächern pfeifen – allerdings sehr zweifelhaft. Wenn der Bundesminister also auf seiner Zuzahlung beharrt, wird es wohl in dieser Legislaturperiode kein Gesetz mehr geben – und die psychologischen Therapeuten und vor allem die Patienten wären wieder mal die Leidtragenden des politischen Machtkampfs.

Frank Roland Deister
Dr. Phil., Dipl. Psych.
Psychoanalytiker u. Vorstandsmitglied des Bundesverbandes der Vertragspsychotherapeuten (BVVP) und des Verbandes Hessischer Vertragspsychotherapeuten (VHVP)

Nachdruck mit freundlicher Genehmigung der Zeitschrift „Dr. med Mabuse“

 

*Nachtrag der Redaktion FORUM PSYCHOSOMATIK

Das Gesetz ist in zweigeteilter Form am 24. Juni 1997 in erster Lesung in den Bundestag eingebracht worden und wird zur Zeit in den zuständigen Ausschüssen des Deutschen Bundestages debattiert. Es soll zum 1. Januar 1999 in Kraft treten.

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