Stiftung LEBENSNERV,
FORUM PSYCHOSOMATIK 1/98

Teil 3 (letzter Teil): "Laudatio" von Peter Henningsen

Die Forschung, die im Kontrast zur Psychoneuroimmunologie per definitionem um eine methodisch angemessene „Einführung des Subjekts“ bemüht ist und deshalb aus Sicht der Stiftung vielleicht besonders förderungswürdig sein sollte, ist die anläßlich der Arbeit von Frau Griesehop und Frau Holtkotte schon erwähnte „qualitative Forschung“. Dieser in den Sozialwissenschaften entwickelte Forschungstypus hat es bis heute schwer in der Medizin, auch in der Psychosomatik wird immer wieder gefragt, wie zuverlässig und wie verallgemeinerbar die an wenigen Probanden gewonnenen Erkenntnisse mit dieser Methode seien. Gleichzeitig wird aber in der Psychosomatik, anders als in anderen Zweigen der Medizin, um die qualitative Methodik gerungen, gerade heute trifft sich in Heidelberg eine bundesweit zusammengestellte Forschergruppe, die Leitlinien für die qualitative Forschung in der Psychosomatik erarbeiten soll.

Ich glaube allerdings nicht, daß es eine gute Idee wäre, der Stiftung vorzuschlagen, in Zukunft nur qualitative Forschung zu fördern. Denn – und hier scheint mir die Arbeit von Herrn Beese ein Beispiel zu sein – auch dann, wenn erkennbar wird, wie sich das Ergebnis der Forschung aus gemeinsamem Interesse von Forschern und Beforschten ableiten läßt – im Fall dieser Arbeit ist das die Verbesserung der Situation von im Heim untergebrachten MS-Kranken, auch dann findet eine Berücksichtigung wichtiger Aspekte von „Subjektivität“ statt, selbst wenn methodisch mit quantifizierenden Fragebögen statt mit qualitativ ausgerichteten Interviews vorgegangen wurde. Das Interesse aller beteiligten Subjekte an der forschenden Erkenntnis transparent zu machen, ohne die Ansprüche an Verallgemeinerbarkeit und Zuverlässigkeit der Befunde aus den Augen zu verlieren, dieses methodische Kriterium scheint mir ein möglicher gemeinsamer Nenner der Art von psychosomatischer MS-Forschung zu sein, für deren Förderung der Preis der Stiftung Lebensnerv besonders geeignet ist. Damit würde zwar eine ganze Menge psychosomatischer Alltagsforschung nicht mehr für den Forschungspreis in Frage kommen, genauso wenig im Übrigen die ausschließlich interessengeleiteten Pamphlete, die für den Preis immer wieder auch eingereicht werden – auf der anderen Seite wäre, wenn man das Kriterium noch mehr präzisiert, mit der Transparenz des Zusammenhangs von Erkenntnis und Interesse aller am Forschungsprozeß Beteiligten vielleicht ein Merkmal gewonnen, das die Identität des Forschungspreises und damit auch der Stiftung etwas stärker konturiert als das allgemeinere Postulat von der Vielzahl der Perspektiven.

Wie dem auch sei, Ihre Arbeiten Frau Griesehop, Frau Holtkotte, Herr Beese, sind für solche Überlegungen, wie hoffentlich deutlich geworden ist, exemplarisch und sehr anregend. Ich gratuliere Ihnen und wiederum auch den Stifterinnen und Mitarbeitern der Stiftung herzlich zu diesem Preis!

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