Stiftung LEBENSNERV,
FORUM PSYCHOSOMATIK 2/99

Wenn Wunder geschehen...

Zum Fortgang der Beratungsarbeit nach dem Peer-Counseling-Prinzip

von Monika Maraun

Teil 1 von 2 Teilen

"...ich habe dich als die Fachfrau gesehen und gemerkt, dass du mir einfach weitergeholfen hast. Die Übungen in den letzten Wochen haben mir so gut getan und ich kann noch gar nicht so richtig glauben, dass wir jetzt schon wieder aufhören sollen." -
"Ja, ich kann es auch kaum glauben, aber nur wenn jetzt noch ein Wunder geschieht, sehen wir uns nächste Woche wieder."

Noch während ich das sage, klopft es an der Tür und Monika Markowitz unterbricht uns, entschuldigt sich für die Störung und bittet mich, nach der Beratung dringend bei Sigrid Arnade anzurufen. Es gäbe positive Nachrichten bezüglich der Finanzierung unserer Arbeit. Das geschah Ende April. Wir hatten nach den ersten drei Monaten keine weiteren Gelder zur Finanzierung der Beratung auftreiben können und ich war gerade in der ersten Abschiedssitzung. Natürlich konnten wir jetzt vor lauter Aufregung nicht mehr weiterarbeiten und verblieben, dass ich die Ratsuchende am Abend anrufen würde, um ihr mitzuteilen, ob das Wunder nun geschehen war oder nicht. Es war wirklich geschehen...

Das Angebot gestalttherapeutischer Beratung im Sinne des Peer-Counseling-Prinzips der Stiftung LEBENSNERV hat bei MS-Betroffenen eine große Resonanz gefunden. So haben sich innerhalb kürzester Zeit 26 Betroffene angemeldet. Davon sind 23 Frauen und 3 Männer. Alle der angemeldeten Betroffenen legten Wert darauf, von mir als behinderte Therapeutin beraten zu werden. Sie nehmen an, dass sie sich in Bezug auf ihre Behinderung besser verstanden fühlen. So beschlossen die Ratsuchenden, die zur Zeit noch keinen Beratungsplatz bekommen konnten, sich in Geduld zu üben und sich per Warteliste zu gedulden, bis ein Platz frei wird. Einige waren auch froh darüber, dass sie zunächst den Mut aufbrachten, den ersten Schritt der Anmeldung getan zu haben.

Für die in Beratung stehenden Betroffenen bedeutet dieses Angebot eine Anlaufstelle, in der sie einmal in der Woche einen Platz nur für sich selbst haben. Hier können sie sich aussprechen, sie finden offene Ohren. Sie haben Begleitung in schwierigen Stresssituationen und werden darin unterstützt, sich zu entspannen. Sie haben die Möglichkeit, sich mit ihren Befürchtungen, Hoffnungen und Ängsten auseinanderzusetzen, bekommen Hilfestellung, damit umzugehen. Sie lernen ihre Bedürfnisse kennen, die sich im Zusammenhang mit der Erkrankung verändert haben können. Denn oft verändern sich, manchmal auch vorübergehend, die Grenzen dessen, was sie tun können. Sie lernen sich auf ihre Art und Weise kennen, so wie es gerade richtig für sie ist. Sie lernen selbstbestimmt zu leben. Sie werden die gute Partnerin für sich selbst, indem sie herausfinden, was sie brauchen, um es dann zu verwirklichen.

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