Stiftung LEBENSNERV,
FORUM PSYCHOSOMATIK 1/00

Teil 2 (letzter Teil): "Von Preisen, Überraschungen und Entwicklungen. Das Symposium der Stiftung LEBENSNERV 1997" von Sigrid Arnade

Längst befürchte ich nicht mehr, dass uns Professor Revenstorf aus Zeitgründen fehlen wird. Schon jetzt habe ich als Moderatorin meine Mühe, den Zeitplan einzuhalten. In der Kaffeepause spricht mich Björn Kruse an, da er gerne das Bochumer Projekt zum Coping (Krankheitsverarbeitung) vorstellen möchte. So hören wir nach der Pause in Kurzform vom sechsten Projekt.

Anschließend betont Bettina Sonnack aus Staufenberg die Bedeutung geschlechtsspezifischer Differenzierung bei künftigen Forschungsvorhaben. In ihrer Diplomarbeit, die ebenfalls vor zwei Jahren von der Stiftung LEBENSNERV ausgezeichnet wurde, hatte sie herausgearbeitet, dass es neben der bekannten Tatsache der häufigeren Betroffenheit von Frauen weitere geschlechtsspezifische Unterschiede gibt: Diese beziehen sich auf den Umgang mit der Erkrankung und auf die Bedeutung der Krankheit für die einzelne Person.

Ich bin froh, Bettina Sonnack als Referentin gewonnen zu haben, nicht nur wegen der Bedeutung ihres Themas, sondern auch, weil sie die einzige weibliche Referentin am Nachmittag ist. Dieses Ungleichgewicht wird auch von Teilen des überwiegend weiblichen Publikums kritisch angemerkt. Als es nach Sonnacks Vortrag zu einer kontroversen Diskussion kommt, kann ich sie auch für die abschließende Podiumsdiskussion gewinnen. Daran kann Hans Krens leider nicht teilnehmen, da er uns schon wieder verlassen musste.

Ehe wir damit beginnen, erläutert der Psychologe Bernd Fliegener aus Berlin die Möglichkeiten der Psychotherapieforschung bei chronischen Erkrankungen. Deutlich wird, dass es auf keinen Fall leicht ist, Psychotherapieforschung so durchzuführen, dass am Ende verwertbare Aussagen stehen.

In der abschließenden Diskussion geht es um Entwicklungslinien der Forschung. Auf dem Podium diskutieren Bernd Fliegener, Dr. Hans Ulrich Schmidt, Bettina Sonnack und PD Dr. Wilhelm Rimpau. Es werden sowohl von den PodiumsteilnehmerInnen als auch aus der Zuhörerschaft verschiedene Vorschläge gemacht, was beforschenswert und beforschbar sein könnte. Gleichzeitig wird auch immer wieder auf die vielfältigen, damit verbundenen, vor allem methodischen Probleme hingewiesen.

Wilhelm Rimpau berichtet aus der Epilepsie-Forschung: Dort habe es lange einen Stillstand gegeben, bis jemand eine neue Fragestellung aus einem vorher nicht beachteten Blickwinkel aufwarf. Seitdem ginge es auf diesen Gebieten rapide vorwärts. Etwas Vergleichbares erhofft er sich auch für die MS-Forschung.

Während eifrig diskutiert wird, denke ich an das erste Stiftungs-Symposium von 1992. Damals bildete sich aus dem TeilnehmerInnenkreis eine Arbeitsgruppe, die allerdings seit zwei Jahren eingeschlafen ist. Zunächst bin ich etwas enttäuscht, weil sich eine ähnliche Tendenz dieses Mal nicht abzeichnet. Dann vergleiche ich die angesprochenen Inhalte, und meine Stimmung hellt sich auf: Während es 1992 um eine Standortbestimmung quasi zur Stunde Null ging, sind heute immerhin sechs Projekte vorgestellt worden. Es hat sich also in den vergangenen fünf Jahren etwas getan.

Aus den Rückmeldungen habe ich den Eindruck, dass die Veranstaltung sich gelohnt hat. Auch die Mischung aus Betroffenen und „Profis“ hat sich meiner Ansicht nach bewährt, da sie ein wichtiges Korrektiv bildet. So wurde während des Symposiums die teils diskriminierende und rein männliche Sprache einiger ReferentInnen kritisiert. Solche Rückmeldungen sind wichtig, da sonst gar nicht wahrgenommen wird, wenn die Betroffenen nicht mehr als Subjekte, sondern nur noch als Objekte gesehen werden.

Weitere Wirkungen des Symposiums: Menschen, die sich in verschiedenen Ecken der Bundesrepublik mit ähnlichen Fragestellungen beschäftigen, haben sich kennengelernt und wollen sich teilweise künftig intensiver austauschen. Für die Stiftung LEBENSNERV wurde die Notwendigkeit deutlich, die Vernetzungsarbeit zu intensivieren.

Einige Tage nach dem Symposium erhalte ich einen Brief von Dirk Revenstorf. Er bedauert nochmals, nicht dabei gewesen zu sein. Seinen Vortrag könne er ja im nächsten Jahr halten, schreibt er. Wahrscheinlich werden wir aber noch länger darauf warten müssen, denn den Stress, ein Symposium zu organisieren und durchzuführen, will ich mir und den MitorganisatorInnen nach einem Jahr nicht schon wieder antun.

Anmerkungen

Vom Symposium gibt es eine Dokumentation, die unter dem Titel „Entwicklungslinien psychotherapeutischer Begleitung und psychosomatischer Forschung bei multipler Sklerose“ erschienen ist und bei der Stiftung angefordert werden kann; d. Red.

Erstveröffentlichung in FORUM PSYCHOSOMATIK 1/1998.

voriger Teil (1)
voriger Artikel ** nächster Artikel
Inhalt von FP 1/00 ** FP-Gesamtübersicht
Startseite