Stiftung LEBENSNERV,
FORUM PSYCHOSOMATIK 1/02

"Experiment Peer Counseling" -
ein neues Projekt der Stiftung LEBENSNERV
und der Fürst-Donnersmarck-Stiftung

von Sigrid Arnade


Weitere Prinzipien des
Peer Counseling


Ansonsten gelten für Beratungen auf der Basis des Peer Counseling ähnliche Prinzipien wie für andere Beratungsformen:

Vertrauen in die Kompetenz
des oder der Ratsuchenden

Die Basis des Beratungsprozesses bildet die Annahme, dass die ratsuchenden Menschen selber in der Lage sind, ihreProbleme zu lösen und sich notwendige Hilfen zu organisieren.

Verantwortung des oder der
Ratsuchenden

Der oder die Ratsuchende entscheidet über die Zielrichtung der Beratung und die Dauer des Prozesses.

Schweigepflicht

Die Beratungsinhalte unterliegen der Schweigepflicht.

Respekt, keine Wertungen

Die Wünsche, Meinungen, Werte und der Glauben von Ratsuchenden werden respektiert und nicht gewertet.

Delegieren

Sollte eine ratsuchende Person Formen der Unterstützung benötigen, die über das Peer Counseling hinausgehen, werden ihr geeignete Stellen oder Ansprechpersonen genannt.


Auswirkungen des
Peer Counseling

Zusätzlich zu den positiven Auswirkungen eines jeden gelungenen Beratungsprozesses beinhaltet der Peer Counseling-Ansatz spezielle positive Aspekte.

Einordnung der Probleme

Manche scheinbar individuellen Probleme können durch die Beratung in einen allgemeineren, politischen, sozialen und kulturellen Zusammenhang gestellt werden. Die Ratsuchenden erfahren, dass sie nicht alleine sind und dass es neben den persönlichen auch gesellschaftlich bedingte Probleme gibt.

Empowerment beider Gesprächsparteien

Empowerment heißt Befähigung, Ermächtigung. Sowohl die ratsuchende als auch die beratende Person erleben durch das Peer Counseling eine Steigerung ihres Selbstvertrauens und Selbstbewusstseins. Die beratende Person erlebt sich als kompetent und wichtig für einen anderen Menschen und wird sich der eigenen Qualitäten bewusst. Bei der ratsuchenden Person kann die Beratung die Sicherheit verstärken, nicht hilflos, ausgeliefert, unzulänglich zu sein, sondern etwas tun zu können. Die größtmögliche Unabhängigkeit wird zur reellen Möglichkeit und bleibt nicht nur ein unerfüllter Traum.

Leichtere Realisierung gleichwertiger
Lebensbedingungen

Erst wenn behinderte Menschen "selber davon überzeugt sind, dass sie ein Recht auf die gleichen Lebensbedingungen haben wie andere, sind sie erfolgreich mit ihren Forderungen nach gleichen Menschen- und Bürgerrechten."9 Zu dieser Überzeugung können die Ratsuchenden durch das Peer Counseling kommen.

Größere Unabhängigkeit

Es hat sich gezeigt, dass Peer Counseling zur stärkeren Unabhängigkeit behinderter Menschen beiträgt:4 Durch das Peer Counseling wurden sie ermutigt, Initiativen in Richtung auf ein selbstbestimmteres Leben zu ergreifen. Zum Beispiel fanden oder wechselten sie eine Arbeitsstelle, gingen eine Beziehung ein oder beendeten eine Beziehung, beantragten notwendige Dienstleistungen, organisierten Reisen, oder sie begannen oder beendeten eine medizinische Behandlung.

Solidarität wächst

Durch das Peer Counseling wächst die Solidarität unter behinderten Menschen, da sie feststellen, dass sie gleichermaßen von den gesellschaftlichen Strukturen betroffen sind, die sie häufig stärker behindern als die individuelle Einschränkung.

Bessere Durchsetzbarkeit politischer
Forderungen

Wenn chronisch kranke und/oder behinderte Menschen von ihrem eigenen Wert überzeugt sind, sich ein weitgehend selbstbestimmtes Leben erkämpft haben und miteinander solidarisch sind, dann können sie auch erfolgreich ihre politischen Forderungen vertreten und durchsetzen

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