Stiftung LEBENSNERV,
FORUM PSYCHOSOMATIK 1/02

"Experiment Peer Counseling" -
ein neues Projekt der Stiftung LEBENSNERV
und der Fürst-Donnersmarck-Stiftung

von Sigrid Arnade

Offene Frage:
Anforderungen an
BewerberInnen und
Schulungsinhalte

Angesichts dieses überzeugenden Konzepts mit vielen Vorteilen ist es sinnvoll, weitere Betroffene zu Peer Counselorinnen und Counseloren weiterzubilden. Dabei taucht die Frage auf, wer sich eignet. Klar ist , dass die eigene Betroffenheit Bedingung ist, aber nicht ausreicht. Aber da taucht schon die erste Frage auf: Welche Betroffenheit darf es, muss es sein?

Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Zusammenarbeit zwischen der ratsuchenden und der zu beratenden Person in der Regel umso erfolgreicher verläuft je mehr Gemeinsamkeiten die beiden haben. Aber heißt das, dass nur MS-Betroffene als Peer Counselorinnen und Counseloren für andere MS-Betroffene geeignet sind? Unsere Erfahrungen haben gezeigt, dass das nicht der Fall ist.

Wenn man Weiterbildungen zu Peer Counselorinnen und Peer Counseloren für MS-Betroffene anbietet, muss man also die Voraussetzungen potentieller Teilnehmerinnen und Teilnehmer neu definieren: Ist jeder chronisch kranke und/oder behinderte Mensch geeignet? Oder sind nur MS-Betroffene geeignet? Oder ist irgendetwas dazwischen richtig? Welche weiteren Voraussetzungen müssen potentielle Peer Counselorinnen und Counseloren für MS-Betroffene erfüllen? Hier gibt es für das große Feld der Beratung von MS-Betroffenen noch erheblichen Klärungsbedarf.

Ebenso sind die konkreten Schulungsinhalte zu klären. Es gibt einige Curricula, also Lehrpläne, für die Schulung von Peer Counselorinnen und Counseloren. Meist sind sie in Anlehnung an die Erfahrungen in den USA entwickelt worden. Gemeinsam ist ihnen, dass eine gründliche Vorbereitung für absolut notwendig erachtet wird, um eine qualitativ hochwertige Beratung anbieten zu können. Gemeinsam ist ihnen außerdem, dass sie Selbsterfahrungsanteile und dem Erlernen von Beratungstechniken einen großen Stellenwert einräumen.

Ich kann mich gut erinnern, dass das Problem der Abgrenzung in den Pilotseminaren des DMSG Bundesverbandes immer wieder eine wesentliche Rolle spielte. Einige Teilnehmerinnen standen schon lange in Selbsthilfegruppen für Beratungen zur Verfügung, wurden zu jeder Tages- und Nachtzeit angerufen und quälten sich in schlaflosen Nächten mit den Problemen der anderen MS-Betroffenen. Da war es sehr wichtig, sich immer wieder bewusst zu machen, dass niemand die Verantwortung für einen anderen Menschen übernehmen kann, dass niemand das Leben eines anderen Menschen leben kann.

Für die fortlaufende Arbeit ist regelmäßige Supervision und der Austausch mit anderen Peer Counselorinnen und Counseloren unbedingt wichtig. Da sind sich alle in diesem Bereich Tätigen einig

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