Stiftung LEBENSNERV,
FORUM PSYCHOSOMATIK 2/09




5. Notwendigkeit eines Qualitätsmanagements
in Organisationen des Gesundheitswesens

Querschnittsaufgabe: Interkulturelle Öffnung ist Leitungsaufgabe und als Qualitätsmerkmal (Querschnittsaufgabe) in allen Bereichen der Organisation zu verankern. Ein innerbetrieblicher Entwicklungsplan (unter anderem mit Festlegen von Qualitätsstandards, interkulturellen Schulungen, etc.) ist dazu erforderlich.

Personalentwicklung: Die Personalentwicklung der Organsiationen ist unter Diversity-Gesichtspunkten durchzuführen, wobei Menschen mit Migrationshintergrund und chronischen Erkrankungen als potenzielle MitarbeiterInnen mit einbezogen werden müssen.

6. Notwendigkeit einer erweiterten Förderpolitik

Vernetzung: Die Zusammenarbeit von Migranten-Communities und Organisationen der gesundheitsbezogenen Selbsthilfe ist durch entsprechende Förderprogramme / Förderauflagen (unter anderem durch die Selbsthilfeförderung des Bundes und der Krankenkassen nach SGB V) zu entwickeln.

Modellprojekte: Projekte, die sich mit der Verbesserung der Lebenssituation von Menschen mit Migrationshintergrund und chronischen Erkrankungen befassen, können in einer getrennten Förderlinie besonders berücksichtigt werden.

Gesundheitspreis: Über einen thematisch ausgerichteten „Gesundheitspreis“ zur Lebenssituation von Menschen mit Migrationshintergrund und chronischen Erkrankungen kann die Beschäftigung mit dem Thema gefördert und publiziert werden.



Studie 2: Optimale Zugangswege in der Beratung

Die BMG-geförderte Studie nahm alle behinderten und/oder chronisch kranken Menschen mit Migrationshintergrund in den Blick und untersuchte aus Anbietersicht die Voraussetzungen für effektive Zugangskanäle in der Beratung. Es wurde gefragt, ob die bestehenden, klassischen Beratungskanäle, die in der Regel auf einer „Komm-Struktur“ beruhen und von deutschen Anbietern stammen, für behinderte MigrantInnen wirklich geeignet sind.

Die generelle Empfehlung aus dieser Studie lautet: Die Vielfalt der Communities und Kulturen, der Beeinträchtigungen und Problemstellungen im Bereich von „Behinderung & Migration“ macht einen Ansatz der Vielfalt (Diversity) in den Lösungen erforderlich. Dieses Diversity-Prinzip ist bislang in der Bundesrepublik Deutschland erst ansatzweise eingeführt. Nach Ansicht der AutorInnen ist es jedoch ein Schlüsselprinzip in der Schaffung optimaler Beratungsstrukturen.

Nachstehend werden fünf Empfehlungskomplexe skizziert, die die Zugangsbarrieren von behinderten und / oder chronisch kranken Menschen mit Migrationshintergrund abbauen und erfolgreiche Zugangswege beschreiben. Ein Hauptergebnis dabei war, dass der personale Zugangsweg in der Beratung eindeutig Vorrang vor dem technischen Zugangsweg hat.

A. Empfehlungen für Zugangswege / Beratungsstuktur
(Idealfall einer Beratungsstelle)

1. Ein gutes Beratungsangebot sollte niedrigschwellig, wohnortnah und lebensweltorientiert sein (organisiert etwa als Tee-Kaffee-Stube, Internet-Café, Freizeittreff-Treff, Nachbarschaftseinrichtung, etc.).
2. Die Trägerschaft sollte von einer vor Ort akzeptierten Organisation (ggf. auch in Kooperation von Behinderten- und MigrantInnenorganisationen) übernommen werden.
3. Die Arbeit sollte gendersensibel, differenzsensibel und kultursensibel erfolgen.
4. Es sollte eine weitgehende Partizipation der betroffenen Ratsuchenden ermöglicht werden.
5. Eine Schlüsselrolle in der Beratung kommt den beratenden Personen zu: Ratsuchende sollten die Wahl aus einem interkulturell gemischten Team haben: Männer, Frauen, mit Migrationshintergrund, ohne Migrationshintergrund, mit Behinderung, ohne Behinderung. Der Anteil von männlichen Beratenden sowie von behinderten Beratenden mit Migrationshintergrund sollte dabei ausreichend groß sein.
6. Es sollten Beratungen sowohl unter dem Aspekt des (doppelten) Peer- Support als auch des Autoritäts-Prinzips möglich sein.
7. Sowohl eine Komm- als auch eine Zugehstruktur (aufsuchende Beratung) sollte in der Beratung standardmäßig angeboten werden und je nach Wunsch möglich sein.
8. Es sollte ein Angebot in unterschiedlichen Sprachen vorgehalten werden (MuttersprachlerInnen, DolmetscherInnen).
9. Es sollte ein Angebot von Face-to-face-Beratungen, jedoch auf Wunsch auch von medial vermittelter Beratung möglich sein (Telefon, email-Fax, Chat, etc.).
10.Inhaltlich sollte es sich um eine kompaktes Angebot („aus einer Hand“) mit verschiedenen Strängen handeln:
• Hilfestellung bei Anträgen / lebenspraktische Unterstützung (Schwerbehindertenausweis, Hilfsmittelbeantragung, Beantragung von Pflegestufen, etc.)
• Lebensbegleitende psychosoziale Beratung / Case Management (wichtige Aspekte: Kommunikation auf Augenhöhe, Geduld, Verlässlichkeit, Einbeziehung der Familie)
• Info-Veranstaltungen über die Struktur und Funktionsweise der Behindertenhilfe- und Selbsthilfe sowie der gesetzlichen Regelungen
• Treffen zum Austausch mit gleichartig Betroffenen (Stärkung der Selbsthilfe-Potenziale)
• Zeitlich umgrenzte kostengünstige Kurse (etwa im Bereich Prävention, Ernährung, Sprache, Weiterbildung, Empowerment, etc.) zur Stärkung vorhandener und zum Aufbau neuer Ressourcen (Salutogenese-Aspekt)
11.Alle Angebote sollten nach dem Prinzip der Barrierefreiheit sowohl in räumlicher (niveaugleicher Eingang, ausreichende Bewegungsfreiräume, rollstuhlgeeignete Toilette) als auch informatorischer und kommunikativer Art (alternative Formate, Gebärdensprache, Hörunterstützung, Leichte Sprache, etc.) erfolgen.
12.Es sollte bildhaft gestaltetes Infomaterial in unterschiedlichen Sprachen und Formaten geben.




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