FORUM PSYCHOSOMATIK

Zeitschrift für Psychosomatische MS-Forschung, 23. Jahrgang, 1. Halbjahr 2013

„Patient im Visier“ – eine Erfahrung

Grundsätzlich bin ich dankbar, dass es Sie gibt. Von Anfang an! Aber jetzt bin ich Ihnen besonders dankbar für den Buch-Tipp:„Patient im Visier“. Ich habe das Buch schon vielen Personen empfohlen bzw. gleich geschenkt. Alles, was dort aufgeführt wird, kann ich nur bestätigen. Mein Name könnte auch für diese „Marion Frey“ stehen, die MS-Patientin, die zwei Jahre lang mit Undercover-Recherchen begleitet wurde. Ich habe alles g enauso erlebt. Nachdem ich sechs Jahre Interferon gespritzt habe (Rebif 22, dann Rebif 44 und zuletzt Avonex) bekam ich Leberversagen. Der Internist entließ mich mit folgenden Worten: „Entweder Sie schlafen nur noch oder Sie gehendrauf!“

Mir ist es wichtig, diese Erfahrung weiterzugeben und somithabe ich Apotheken, die Uni-Klinik und die Herstellerfirma angesprochen mit dem Hinweis, näher hinzuschauen, damit andere MS-Patienten nicht dasselbe Erlebnis haben müssen. Aber niemand wollte es hören! Und genau, wie es dem Patienten im Buch nach Absetzen der Spritzerei erging, war auch bei mir die MS-Schwester nicht mehr ansprechbar und für mich zuständig, die vorher so nett und immer einfühlsam auftrat.

Als rettende Lösung wurde mir die Chemo-Therapie mit Mitox schmackhaft gemacht. Nach sechs Zyklen brach ich auch diese Behandlung ab, weil sich mein Gesundheitszustand immer mehr verschlechterte. Meine Entscheidung verstand der Neurologe nun gar nicht und hat immer wieder versucht, mich umzustimmen, damit ich die Therapie wieder aufnehmen sollte. Auch ich lasse jetzt nur noch, genau wie Marion Frey, die Kortison-Stoß-Therapie vierteljährlich zu. Seit 30 Jahren bin ich nun von der Krankheit betroffen und immer als Patientin in der Göttinger Uniklinik geblieben, habe also keinen weiteren niedergelassenen Neurologen gehabt. Somit verfolge ich seit vielen Jahren die Vorträge zum Thema MS. In der ersten Zeit waren die Ausführungen immer sehr aufschlussreich und für Laien auch gut verständlich. Man hatte das Gefühl, dass der Arzt sprach. Doch immer mehr veränderten sich die Vorträge und man kann sagen, dass jetzt der Kaufmann spricht. So habe ich auch einen Abend erlebt, der von der Fernsehmoderatorin Vera Cordes geleitet wurde. Die Patienten, die man vorstellte, waren alle „Vorzeigepersonen“: günstiger Krankheitsverlauf, gute Therapien, tüchtig im Beruf, Zusammenhalt in der Familie, keine finanziellen Sorgen und und und – alles heile Welt. Kritische Fragen, auch meine gehörten dazu, wurden elegant abgeschmettert. Ja, es ist alles eine traurige Bilanz, wie Medien, Ärzte und Politiker zu Komplizen der Pharmabranche werden und das große Geschäft mit der Gesundheit machen. Und wenn man es nicht selbst erlebt hat, dann ist es nicht zu glauben. Fazit ist wie so oft: Kritische Patienten sind nicht gern gesehen. Eigentlich schade, dass mittlerweile alles so läuft. Aber egal wie düster auch unsere Zukunft erscheinen mag, wir hören nicht auf zu kämpfen. Wir werden nicht aufgeben oder untergehen, sondern weitergehen.








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